“Make Saarland, Gretel again!” Politik ohne Humor ist witzlos

Fasenacht als Wahlkampfbühne: Putzfrau Gretel Kramp-Karrenbauer benutzt seit Jahren die Leichtigkeit der Narren zur politischen Profilierung. Hunderttausende vor den Fernsehern lachen. Ein wahltaktisches Kalkül. Und narrensicher.

Es war Thema im Kabinett: das Fiasko um das Hochhaus der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Es sei eine „Scheißstimmung“ gewesen unter den Ministern, berichtete Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, „die Minister total deprimiert“. Die Studenten müssten wohl noch lange auf den Umzug warten. Kein Ende in Sicht. Die Ministerpräsidentin wörtlich: „Bevor der Erste dort ein Blatt Papier in die Hand nehmen kann, sieht das Ding aus wie die Akropolis.“

Die Zitate sind echt. Die Ministerpräsidentin hat das tatsächlich so berichtet. Nicht im kleinen vertrauten Kreis oder im vertraulichen Journalisten-Gespräch, sondern öffentlich, vor 500 Menschen, genauer gesagt als Putzfrau Gretel vor der Hautevolee des Landes und denen, die sich dazuzählen, auf der Saarländischen Narrenschau im letzten Jahr. Noch ein Fakt wäre hinzuzufügen: Die Ministerpräsidentin selbst ist für die Hochschulen zuständig. Die Baubehörde baut nur nach ihren Vorgaben. Duff-dää, duff-dää, duff-dää.

Pleiten sind Petitessen
Dass das Auditorium in diesem Moment zum Narren gehalten wurde? Wir einfach weggeschunkelt! Hatte das zuständige Ministerium doch bei Vertragsabschluss mit dem ausführenden Unternehmen übersehen, dass das Hochhaus brandschutztechnisch nur für 200 Studenten geplant und gebaut wurde statt für 1000. Die Nachbesserung kann den saarländischen Steuerzahler wohl 20 Millionen Euro kosten. Oijojoio-oijojo -auuauauauau!

Landesfürstin und Hofnärrin zugleich
Es ist eine unter den Ministerpräsidenten der Republik einmalige Masche des Wählerfangs: Wenn einer die Ministerpräsidentin durch den Kakao ziehen darf, dann sie selbst und den Kakao rührt sie auch noch selbst an. Die Landesfürstin selbst gibt die Hofnärrin. Anders aber als der literarische Archetypus, der seine Herrschaft weise vor kommenden Bedrohungen und Fehlern warnt, macht sie sich selbst bedeutend. Sie spielt ihre Trümpfe aus, scherzt über Dinge, die die Saarländer nicht wahrhaben sollen und zieht über die politische Konkurrenz her. Sie kontrolliert die Kritik, ver“tuscht“ die Verantwortung, macht die Pleiten zur Pointe und das Regierungs-Chaos zum Klamauk. Und wenn die Narrhallesen aus vollem Halse lachen, wer will da noch, übelwollend, außer Oskar Lafontaine nach den verschwendeten Millionen fragen?  Botschaft: Alles nicht so schlimm, wir machen einfach weiter. „Stimmung! Konfetti!“

Sagt Saarland und meint Kramp-Karrenbauer
Auch auf der Narrenschau 2017 setzte sich Putzfrau Gretel in Szene. Geschickt überträgt sie bekannte Witze auf politische Situationen und noch geschickter vermischt sie dabei ihre Identitäten Putzfrau und Ministerpräsidentin. „Et Saarland hat Geld griet, was mache mer mit dem ville Geld?“ Botschaft: Ich, die Ministerpräsidentin, habe dem Bund fast eine halbe Milliarde Euro für unser Land abgerungen. Klingt gut bei allen Zukurzgekommenen. Weitere Anspielungen: Dass es das Gerücht gab, sie solle Bundespräsidentin werden, dass sie der Papst einmal empfangen hatte, dass AKK (Wahlkampf-Motivation: „CDU wählen für AKK“) für das Saarland die Frankreich-Strategie erfunden habe. Wenn Kramp-Karrenbauer „Mer mache es Saarland great again!“ sagt, meint sie: “Mer mache es Saarland. Gretel again!”

Und die Konkurrenz kriegt ihr Fett ab: „die Rehlingersch (präsent im Brückenbaueroutfit) unn ihr geknaubte Brigg“. Wobei Gretel Kramp-Karrenbauer offen lässt, ob sich „ihr Gezoohres“ auf die Baufälligkeit oder auf das Baustellen-Management bezieht. Und Oskar Lafontaine steht als nicht ernst zu nehmender Aufschneider da: „Mit seine Memoahre iss er erschd bei Band 37“.

Es Gretel unn sei Bogler: Wahlkampf ist bitterer Ernst

830.000 SR-Zuschauer schunkeln mit
Fasenacht als politisches Marketing. Der Ministerpräsidentin die Fastnachtsbühne bereitet hatte vor Jahren der langjährige Obernarr und Moderator der saarländischen Narrenschau, Staatskanzlei-Mitarbeiter Wolfgang Bogler. Mit Berechnung: Die Ministerpräsidentin könne beim saarländischen Faible für leichte Kost den Narren auch Bürgernähe mimen („Ähne von uns“) und leicht ihre politischen Statements unterjubeln. Über die Jahre hat sie es dabei zu einer gewissen Routine gebracht. Das Publikum ist dankbar ausgelassen. Und zuhause vor den Bildschirmen schunkeln mal 830.000 SR-Zuschauer (2016), mal 500.000 (2017) mit. Traumhafte Einschaltquoten mitten im Wahlkampf.

Gretel Kramp-Karrenbauer hätte Zeug dazu, eine komplette Prunksitzung zu bestreiten, wollte sie vor den Saarländern alle Bau-Pleiten während ihrer Regierungsverantwortung als Schmonzetten herunterspielen: Stadtmitte am Fluss, Fischzuchtanlage Völklingen, Museumspavillon, Pinguisson-Bau, HTW-Hochhaus. Alles in allem haben diese Regierungspleiten den saarländischen Steuerzahler etwa 80 Millionen Euro gekostet. Und in der Gretel-Sondersitzung könnten die Steuerzahler dann mit der Ministerpräsidentin lachen und schunkeln. Politik ohne Humor ist eh witzlos. Alleeh Hopp dann.