49 Saar-Kommunen: Mehr Schulden als Kommunen in sechs Bundesländern zusammen

Armenhaus Saarland. Die Stadt- und Gemeinderäte haben mit 2,2 Milliarden Euro das Konto überzogen. Dispo-Schulden mit null Gegenwert. Das ist mehr als sechs Bundesländer zusammen. Die Landesregierung bettelt derweil beim Bund. Wieder mal. Und das Geldausgeben geht weiter.

Vor einem Jahr analysierte Saarlandinside.de die kommunale Schulden-Situation im Saarland. Ein Ergebnis: Saarbrücken bei den Großstädten und Gersheim unter den kleinen Gemeinden waren pro Kopf 2015 bundesweit die größten Schuldenbuckel. Das Schuldenmachen der Stadt- und Gemeinderäte geht seitdem weiter. Bis Ende 2016 haben die saarländischen Kreise nochmals um 18 Millionen Euro und die Kommunen um 68 Millionen auf 2.180.385.000 Euro bei den Kassenkrediten zugelegt– d.i. die Überziehung des laufenden Kontos, weil u.a. zu wenig Steuern und Gebühren eingehen.
Das ist mehr als die 5.951 Städte und Gemeinden in den sechs Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen zusammengenommen. Einen Gegenwert in Form von Anlagevermögen wie bei den Investitionskrediten gibt es nicht. Für die Konto-Überziehung der Stadt- und Gemeinderäte, die tragen nämlich die Verantwortung, haften die Bürger.

Nur St. Ingbert, Saarwellingen und Losheim sparsam
Genaugenommen sind es nur 49 Saar-Kommunen, die – rechtswidrig – seit Jahren Millionen mehr ausgeben als einnehmen: Nur St. Ingbert, Saarwellingen und Losheim wirtschaften sparsam, sie benötigen keinen „Dispo“ (Saarlandinside wird ausführlicher darüber berichten, was die Räte und die Bürgermeister dort besser machen als alle anderen).

„Der Vergleich mit dem Saarland passt nicht in eine Grafik“
Die Verschuldung im Saarland allein beim kommunalen Dispo ist mit 2.123 Euro pro Einwohner seit Jahren bundesweit mit Abstand der höchste. Zwar weisen die im Schulden-Ranking nächstfolgenden Notstands-Länder Nordrhein-Westfalen mit 26,3 Milliarden und Rheinland-Pfalz mit 5,9 Milliarden in der Summe eine höhere Verschuldung auf. Diese verteilt sich aber auf 18 Millionen bzw. 4 Millionen Einwohner.
Kurz: Jeder Saarländer hat 140 Mal mehr Dispo-Schulden zu tragen als ein Bayer. Die BertelsmannStiftung in ihrem Blog „Wegweiser-Kommune“ konsterniert: „Der Vergleich mit dem Saarland passt nicht in eine Grafik“. Im Saarland beträgt der Anteil der Kassenkredite an der Gesamtverschuldung mittlerweile 60 Prozent!

Fatal für das Image des Landes in der Republik
Außer der großen finanziellen Last für die immer weniger werdenden jungen Saarländer, die die Schulden irgendwann werden ausbaden müssen, verstärken die Stadt- und Gemeinderäte das Bild vom Armenhaus. Dies lässt sich aus der öffentlichen Diskussion, Medienberichten und Vorträgen in anderen Bundesländern ablesen. Tenor: Uns geht’s dreckig, aber unten in der Südwestecke der Republik treiben es die Saarländer mit den Schulden noch schlimmer. Die Image-Kampagne der Landesregierung für die saarländische Heimat, mit emotionalen Motiven und sympathischen Botschaften, wird von dicken roten Balken der Räte durchkreuzt. Kann die öffentliche Hand bei so viel Manko im Armenhaus Deutschlands noch für Lebensqualität sorgen?

St. Ingbert finanziell am zukunftsfähigsten
Nicht nur im Ländervergleich wird das Saarland immer mehr abgehängt, auch unter den Saar-Kommunen gibt es große Unterschiede in punkto Sparsamkeit und kostenbewusstem Wirtschaften. Als sparsamste und gleichzeitig einer der finanzstärksten Gemeinden führt ganz klar St. Ingbert den Vergleich aller 52 Saar-Kommunen an: OB Hans Wagner und sein Stadtrat haben dank guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, sprudelnder Steuereinnahmen und einer auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Ausgabenpolitik per Saldo noch nie das Konto überziehen müssen. Kurz: St. Ingbert ist unter finanziellen Gesichtspunkten die zukunftsfähigste Kommune im Saarland.

Investitionen in Zinsen statt in die Zukunft
Der Kassenkredit ist der zentrale Krisenindikator der kommunalen Finanzlage. Nach der amtlichen Statistik und nach dem aktuellen Finanzreport Kommunen der BertelsmannStiftung sieht es für die meisten Gemeinden im Land düster aus. Je mehr Schulden, desto weniger kann sie für die Infrastruktur, für Schulen und Vereine, für Kultur und für Lebensqualität ausgeben. Die Stadt- und Gemeinderäte investieren in Zinsen statt in Zukunft. Ein Teufelskreis, bei der die meisten Städte und Dörfer immer weiter den Anschluss verlieren. Nicht nur zwischen dem Saarland und dem Rest der Republik liegen „zwei Welten“ (BertelsmannStiftung), sondern auch innerhalb des Saarlandes geht die Schere zwischen Prosperierenden und Habenichtsen weiter auseinander.


Blog-Titel der BertelsmannStiftung “Wegweiser Kommune”

70 Millionen weniger Investitionsausgaben
19 Kommunen haben ihren Dispo-Kredit seit 2009 mehr als verdoppelt, Völklingen sogar verelffacht. Die Landeshauptstadt allein hat das Konto mehr überzogen als die mehr als 400 Gemeinden in Brandenburg zusammen. Zu viele Schulden für den Verwaltungsbetrieb, da bleibt nichts für die Infrastruktur. Gegenüber 2010 haben die Kommunen und Landkreise im letzten Jahr fast 70 Millionen weniger investiert.

Große Personalkosten-Unterschiede
In einigen Gemeinden verzeichnen die Personalkosten einen überdurchschnittlich starken Anstieg, der mit den Lohnsteigerungen und neuem Personal für die Kitas allein nicht zu erklären ist. Bous (7.000 Einwohner) gibt pro Einwohner 546 Euro für das Gemeindepersonal aus, dreimal so viel wie das größere Kirkel (184 Euro). Freisen leistet sich auf seine 8.000 Einwohner umgerechnet so viel Personal wie die Landeshauptstadt.

Angekündigte Effizienz-Prüfung kommt nicht
Im letzten Jahr hat Innenminister Bouillon angekündigt, er wolle das kommunale Controlling verschärfen, Indikatoren ausarbeiten, mit denen er im Landesvergleich die ineffizienten Kommunen entlarven wolle. Wollte. Auf eine Nachfrage von Saarlandinside.de nach dem Stand der Dinge gab seine Pressestelle keine Auskunft.

Andere Bundesländer handeln, das Saarland bettelt
Statt Controlling übt sich Bouillon im Betteln. Ein Altlastenfonds des Bundes soll den Saar-Kommunen die Schulden zahlen. Neun Bundesländer sind da mit Entschuldungsprogrammen für ihre Kommunen erheblich weiter. In Hessen mussten die Gemeinden drastische Sanierungsleistungen erbringen und sich einer strengen Aufsicht unterstellen. 100 teilnehmende Gemeinden konnten so 2,5 Milliarden Euro ablösen. Niedersachsen hat über die dem Land mitgehörende NordLB im „Zukunftsvertrag“ 1,2 Milliarden Euro Kassenkredite bei 42 Kommunen abgelöst.

Im Saarland sollen immer die anderen zahlen
Die Frage ist erlaubt: Warum um alles in der Welt soll der Bund im Saarland die Zwei-Milliarden-Last aus Dispo-Schulden von 49 Gemeinden mittragen, wenn andere Bundesländer dies aus eigener Kraft und mit eisernem Sparwillen alleine bewältigen?  Prof. Martin Junkernheinrich, der die saarländischen Zusammenhänge und Ursachen in Schulden-Management aus dem Effeff kennt: „Immer nur zu hoffen, dass andere zahlen, funktioniert nicht.“

Soziallasten sind nicht die Schuldentreiber
Ein vehementer Verfechter der Forderung nach Bundeshilfen ist Regionalverbandspräsident Peter Gillo: „Im Regionalverband konzentrieren sich die sozialen Herausforderungen des Saarlandes. Daher brauchen wir … ein verstärktes Engagement des Bundes bei der Übernahme von Sozialkosten.“ Die Bertelsmann-Analyse zeigt: Bei den sozialen Leistungen sind die Saarländer mit 650 Euro pro Einwohner genauso gering belastet wie die Bayern.

Und die Musi spuielt dazu
Peter Gillo könnte aber mit dem Sparen anfangen. Ein kleines Beispiel, aber symptomatisch für unbekümmerten Umgang mit Steuergeldern, ist sein Freizeit- und Veranstaltungsangebot. 150.000 Euro Zuschuss bekommen seine Eventmanager aus der Kreisumlage, u.a. um „sonntags am Schloss“ bei freiem Eintritt internationale Bands aufspielen zu lassen.
Das Bild der „Titanic“ in Schieflage drängt sich auf: Beim Untergang hat das Schiffsorchester bis zum bitteren Ende tapfer aufgespielt. Mit der Musik wollte die Kapelle die Passagiere beruhigen. Viele Passagiere begriffen das Ausmaß der Katastrophe erst, als es zu spät war.

Hier finden Sie die Tabellen
Saarland-Ranking I: Die sparsamen Gemeinden 2016
Saarland-Ranking II: Die finanzstarken und wirtschaftskräftigen Gemeinden 2016

Quellen: Statistisches Landesamt; Bundesamt für Statistik; BertelsmannStiftung: Kommunaler Finanzreport 2017; Bundesbank: Monatsbericht 10/2016;