CDU und SPD: Saartoto-Geld für Parteipolitik

In keinem Bundesland wird mit Toto-Geldern so hemmungslos Parteipolitik gemacht wie im Saarland. Die Saarsport-Organisationen sind zu Wahlkampf-Hilfstruppen von CDU und SPD verkommen. Und das ist noch nicht alles.

Es geht um mehr als 20 Millionen Euro jährlich. Soviel bleibt von den 118 Millionen Euro Tipp- und Wetteinsätzen der Saarländer nach Abzug von Gewinnausschüttung, Betriebskosten und Lotteriesteuer übrig. Diese 20 Millionen im Land zu verteilen ist die vornehme Aufgabe der sieben Aufsichtsratsmitglieder von Saartoto. „Seit über 60 Jahren sind sie im Auftrag des Glücks unterwegs“ beschreibt Saartoto.de die Mission der großzügigen Gönner aus dem Toto-Haus an der Saaruferstraße. So gaben sie 2017 laut Saartoto Personen und Projekten, Vereinen und Verbänden für Kulturelles 5,2 Millionen Euro, für Naturschutz 330.000 Euro, für Soziales 800.000 Euro. Den Löwenanteil von 15 Millionen Euro bekam der Sport, davon mehr als 13 Millionen der Landessportverband (LSVS), davon wiederum mehr als drei Millionen die Sportplanungskommission.

Millionen nach eigenem Gutdünken

Das meiste vergeben die Saartoto-Aufsichtsräte, LSVS-Präsident und die Sportplanungskommission nach eigenem Gutdünken, denn niemand kontrolliert sie. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, in denen die Landesparlamente das Sagen haben und die Mittelvergabe teilweise bis auf den Cent genau gesetzlich geregelt ist. Wer wie viel bekommt, das wird im Saarland vorher gedealt. Die Politiker machen das in den Gremien unter sich aus. Vereine, die das Spiel nicht mitmachen oder nicht im Wahlkreis eines Politikers ihren Sitz haben, haben keine Chance. „Was da abgeht ist ekelhaft“, entrüstet sich ein langjähriger Kenner der Sportplanungskommission über die rücksichtslose Selbstbedienung.

Ein kleiner Kreis beherrscht 2.000 Sportvereine mit 370.000 Mitgliedern

Im Saarland besetzen CDU und SPD die Gremien, die die Millionen anfordern, hergeben, ausgeben und kontrollieren in Personalunion. Die Groko hat sich den Sportler-Markt sauber aufgeteilt. Das Millionen-Spiel geht so: Ex-Landtagspräsident und LSVS-Präsident Meiser fordert im Einvernehmen mit Innen- und Sportminister Klaus Bouillon das Geld von Saartoto an. Dort erfüllt der Aufsichtsrat die Wünsche; dessen Vorsitzender ist Bouillon, Aufsichtsrats-Vize ist Meiser. Meiser lässt die Summen an seinen Landessportverband überweisen und gibt es dort teilweise („Verstärkungsfonds“) am LSVS-Haushalt vorbei aus. Dass beim LSVS alles mit rechten Dingen zugeht, das soll eigentlich Innenminister Bouillon als Rechtsaufsicht überwachen.  Im Innenausschuss des Landtags mussten Bouillons Leute einräumen, dass sie beim LSVS-Geschäftsgebaren nicht hinschauen. Die Landesregierung hat also ihre gesetzliche Kontrollpflicht nicht wahrgenommen.  Ein kleiner Kreis Eingeweihter beherrscht so den gesamten Saarsport mit seinen 370.000 Mitgliedern.


Die Linie in der Sportförderung ist überschritten: Politiker verteilen Millionen nach Gutdünken.

Toto-Förderung – ein Glücksspiel für sich

An Toto-Gelder ranzukommen ist schon ein Glücksspiel für sich. Erfahrene Antragsteller wissen: Wer Geld für Jugendbegegnung oder vom LSVS Zuschüsse für die Talentförderung in seinem Sportverein oder von der Sportplanungskommission einen Kunstrasensportplatz haben möchte, braucht Vitamin B.  „Ohne persönlichen Zugang zu den Entscheidern bei Saartoto oder ohne fürsprechende Mittelsmänner geht da gar nichts“, sagt ein Nutznießer des Systems, der sich seit Jahren für einen 2.000 Euro-Zuschuss für Kulturprojekte die Hacken abläuft. Saartoto-Aufsichtsrat, LSVS-Präsidium und Sportplanungskommission sind seit Jahren schon Machtinstrumente der großen Koalition, funktionieren fast wie Vorfeldorganisationen von CDU und SPD. Finanziert wird, wer oder was politisch genehm ist.

„Verstärkungsfonds“ für Wahlkampf-Zeiten

Beispiel ist der ominöse Verstärkungsfonds, den Saarlandinside Anfang Februar publik gemacht hatte. Den hatte sich Klaus Meiser mit 250.000 Euro jährlich von Saartoto (dort ist er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender) auffüllen lassen und nebenbei, außerhalb des LSVS-Haushalts geführt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Meiser damit Wahlkampfgeschenke unters Sportler-Volk verteilt hat. Eine LSVS-interne Aufstellung von Klaus Meiser deutet darauf hin. Er war vor allem im Vorfeld der Landtags- und Bundestagswahl 2017 besonders freigiebig. Unter dem Allerwelts-Posten „Ehrenamt“ hat er 2016 und 2017 insgesamt 84.500 Euro den Vereinen zukommen lassen, teilweise die Schecks bei Festen und Versammlungen persönlich überbracht oder Förderungen zugesagt. 2018 sind nur noch 20.000 geplant, wenn nach der Finanzmisere im LSVS überhaupt noch was fließt.

Spender-Euphorie ohne finanzielle Deckung

Auch in der Sportplanungskommission, die den Vereinen u.a. Sanitäranlagen und Dächer saniert, Hallenböden und Sportplätze erneuert, war wohl zu Wahlkampfzeiten im letzten Jahr eine regelrechte Spender-Euphorie ausgebrochen. Wie sonst wäre zu erklären, dass dem LSVS, der die Mittel verwaltet, zurzeit noch 3,9 Millionen fehlen, um die im letzten Jahr gemachten Zusagen der Politiker zu finanzieren – Wahlkampfspenden mit ungedeckten Schecks. Kein Wunder: Von den 22 Mitgliedern amtieren fünf Staatssekretäre oder Ministeriumsvertreter, acht Landtagsabgeordnete, die restlichen neun Mitglieder kommen aus dem von CDU-Meiser und SPD-Roth dominierten LSVS-Präsidium. Nur drei Mitglieder sind technische Berater – ohne Stimmrecht. Vorsitzender der Sportplanungskommission ist Bouillons Staatssekretär Christian Seel. Auch hier schließt sich der Kreis.

Die Vorteile der Politiker-Nähe

Vereine mit Landtagsabgeordneten in der Nachbarschaft sind besonders gut dran. So hat der SPD-Abgeordnete Stefan Pauluhn in der Sportplanungskommission 2013 für seinen Heimatverein SF Walsheim 75.000 Euro für einen Kunstrasenplatz lockergemacht; die Gemeinde hatte bereits ein Jahr zuvor für das selbe Projekt 93.500 Euro aus den Bedarfszuweisungen von Sportministerin Monika Bachmann erhalten. An die 600 Projekte hat die Sportplanungskommission von 2012 bis 2016 finanziert, einige Vereine haben mehrfach profitiert.

Stefan Pauluhn war nach SR-Informationen auch Nutznießer der Scheckverteil-Aktion des Landessportverbands im November 2016, vier Monate vor der Landtagswahl. Er soll, so der SR, auf seinem Schreibtisch zwei Schecks “gefunden” haben, die er dann an seinen Heimatverein SF Walsheim und die Palatia Limbach weitergereicht habe.

2.000 Sportvereine Multiplikatoren der Parteipolitik

Das Kalkül von CDU und SPD: Die knapp 2.000 Sportvereine sind ideale Multiplikatoren der Politikerwohltaten, vor allem, wenn die Schecks im ansprechenden Rahmen, bei Vereinsversammlungen und Sportfesten zum Beispiel, präsentiert werden. So entsteht ein System von Abhängigkeiten, für die, die künftig als Bittsteller beim LSVS oder bei der Sportplanungskommission auf Zuschüsse hoffen. Anderseits sind die begünstigten Vereine und ihre Vorsitzenden dankbar für die guten Gaben aus Saarbrücken. Der überraschende Erfolg von Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Landtagswahl 2017 lässt sich zum Teil mit der politischen Beeinflussung der Vereine erklären. Die kleinen Parteien, FDP, Linke und AfD bleiben in diesem System außen vor. Viele Vereine werden auch künftig angeschmiert bleiben: Sie sind Gefangene eines Systems, in dem Mauscheleien statt Transparenz herrschen und objektive Kriterien für die Vergabe von Zuschüssen fehlen.

„Macht abschotten und nach Einfluss und Geld streben“

Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim beobachtet solche Kartellbildungen von Parteien seit Jahren. Er sagt über die Parteien: „Sie sind zu Kartellparteien geworden; wenn es um wichtige Dinge wie Politikfinanzierung, Ämterpatronage und direkte Demokratie geht, dann bilden sie ein politisches Kartell, um ihre Macht nach außen abzuschotten und ihrem Streben nach Einfluss, Posten und Geld umso ungestörter nachgehen zu können“.

Linke erreicht Untersuchungsausschuss

Die Linke im Landtag fordert wegen der Misswirtschaft in der Sportförderung eine Neuordnung. „Um die verfilzten Strukturen bei der Sportförderung aufzuarbeiten und Gründe für das Versagen der Landesregierung zu thematisieren, ist ein Untersuchungsausschuss unter dem Vorsitz der Linken nötig”, erklärt Oskar Lafontaine. Der Ausschuss ist inzwischen beschlossen, Vorsitzende ist Dagmar Heib (CDU), Jochen Flackus von den Linken ist Stellvertreter.  (wird in Kürze fortgesetzt)