Drogenspürhunde, ein Mafioso und ein Stiftungskonto im Saarland (3)

Der Saarländer Albert Boußonville, in den 90er Jahren erfolgreicher Geschäftsmann für Mercedes im Ostgeschäft, unterhielt auch zu Politikern in der Heimat gute Kontakte, insbesondere zu den Größen der damals regierenden SPD. Sein Ansprechpartner und späterer Freund war Innenminister Friedel Läpple.

Läpple saß knapp drei Jahrzehnte für die SPD im Landtag und war von 1985 bis 1999 Innenminister. Als solcher hatte er mit der Sicherheitspartnerschaft zu tun, die das Saarland mit Usbekistan abschloss. Die Bundesländer hatten nach dem Fall der Mauer beschlossen, den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion saubere Polizeiarbeit beizubringen. Dem Saarland fiel Usbekistan zu.

Drogenspürhunde für Usbekistan und Spende für die SPD-Stiftung

Es gab gegenseitige Besuche, auch Läpple reiste zwei Mal nach Taschkent. Das Bundesland beschränkte die Hilfe im Wesentlichen auf die Ausbildung von Drogenspürhunden. Dennoch hatten die Saarländer auch mit jenem Innenminister Zakir Almatov zu tun, der später in Andischan den Schießbefehl gab. Einmal bat Almatov seinen saarländischen Amtskollegen in einem Brief um die medizinische Behandlung eines verletzten Polizisten. Die Rechnungen übernahm Boußonville.

Angeblich 240.000 Euro Spenden zugesagt

Überhaupt traf es sich offenbar gut, dass es im Saarland einige Geschäftsleute gab mit Verbindungen nach Usbekistan. Denn das Bundesland hatte schon damals wenig Geld. Also wandte sich Läpple an Boußonville und zwei weitere Geschäftsleute, die Zusammenarbeit mit Usbekistan zu unterstützen. In einem Brief vom 10. Juli 1995, verfasst auf dem Briefpapier des saarländischen Innenministeriums, erinnerte er die drei Geschäftsleute an ein Versprechen, gegeben ein Jahr zuvor während einer Tour von Läpple durch Usbekistan. 240.000 DM hätten die Geschäftsleute sowie die Mercedes-Benz AG zugesagt, um die Zusammenarbeit des Saarlands mit Usbekistan in Polizei-Angelegenheiten zu finanzieren.

„Unterstützung wesentlich intensiviert“

„Die Unterstützungsmaßnahmen für die usbekische Polizei sind mittlerweile angelaufen und werden in diesem Jahr noch wesentlich intensiviert“, schrieb Läpple. Doch die Spenden sollten nicht etwa an das Saarland fließen. Sondern an einen der SPD nahestehenden Verein, die „Demokratische Gesellschaft Saarland e.V.“ Der Verein wurde 1970 als Friedrich-Ebert-Stiftung Saarland gegründet. Läpple wurde schon 1972 ihr Schriftführer, seit Jahren Vorstandsvorsitzender. Heute heißt sie Stiftung Demokratie; Geschäftsführer ist Läpples ehemaliger Pressesprecher Rauls.

Der Minister drängt auf Spenden-Zahlung

In seinem Brief schrieb Läpple, dass der Verein den Usbekistan-Fonds verwalte. „Sehr geehrte Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die zugesagten Spenden möglichst bald auf das angegebene Konto einzahlen würden“, schrieb der Minister. Es folgte – neben einem Hinweis auf die Gemeinnützigkeit des Vereins und die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden – eine Kontonummer.

Die Stiftung Demokratie legt ihre Bücher offen

Es ist unklar, wieviel von dem erbetenen Geld an den Verein flossen. Die Stiftung hat gegenüber CORRECTIV offengelegt, dass sie 1996 und 1997 81.000 DM Spenden annahm. Von wem, kann sie nicht mehr nachvollziehen. In das Usbekistan-Projekt flossen laut den Geschäftsberichten der Stiftung bis 1999 knapp 60.000 DM. Ein Teil des Geldes dürfte aus der Schweiz gekommen sein. Einer der von Läpple angeschriebenen Geschäftsleute mit Sitz in Zürich half Boußonville in jener Zeit, usbekische Baumwolle auf den Weltmarkt zu bringen. Der Unternehmer antwortete prompt und kündigte an, in den nächsten Tagen das Geld zu überweisen.

1999 schrieb Läpple noch einmal an den Mann: „Wie Sie sich vorstellen können, sind die im Jahre 1995 in den Fonds eingezahlten Gelder nahezu aufgebraucht.“ Der Fonds sei auf weitere Unterstützung angewiesen: „Im Sinne der gemeinsamen Zielvereinbarung bitte ich Sie höflichst zu prüfen, ob für Sie ein nochmaliges Engagement in Frage kommt.“

Läpples Bettelbrief an einen Mafioso

Für Läpple ist der erste Brief aus dem Jahr 1995 brisant und das liegt an dem dritten Adressaten: Valerij Eriksson. Dieser inzwischen verstorbene Geschäftsmann spielte eine zentrale Rolle in den saarländischen Affären der 1990er Jahre. Eriksson stand damals häufiger im Fokus der Justiz. Das Bundeskriminalamt hielt den Geschäftsmann, der aus Usbekistan stammte, für ein Mitglied der organisierten Kriminalität. Im Sommer 1994 durchsuchten Zollfahnder sein Haus im Saarland – ausgerechnet, als er den Innenminister während dessen Besuchs in Usbekistan begleitete. Später ermittelte das LKA wegen Drogendelikten gegen Eriksson.

„Ein gutes Projekt ermöglichen“

Und eben dieser Eriksson konnte im Rahmen der usbekisch-saarländischen Partnerschaft das LKA besuchen. Im April 1995 erhielt er Hausverbot im LKA und der damalige Behördenchef verzichtete wegen der Affäre auf eine Reise nach Usbekistan im Sommer 1995, wie damals die Saarbrücker Zeitung berichtete. Innenminister Läpple überstand die Affäre – vielleicht, weil nicht bekannt war, dass er nach der Reise Eriksson um Spenden für seine „demokratische Gesellschaft“ bat.

Im Gespräch mit CORRECTIV sagt Läpple, ihm seien zum Zeitpunkt des Spenden-Briefs an Eriksson dessen Verstrickungen nicht klar gewesen. Man habe damals ein gutes Projekt trotz knapper Kassen ermöglichen wollen und sich deswegen an die privaten Geschäftsleute gewandt. In einer Stellungnahme schreibt Läpple zudem, dass der Zeitablauf, wie er sich aus der damaligen Presse ergebe, falsch sei. An ein Hausverbot könne er sich nicht erinnern.

Spendenzahlung gegen Aufträge?

Zu den Merkwürdigkeiten rund um das Schreiben von Läpple gehört auch, dass die Geschäftsleute, an die der Innenminister seinen Spendenaufruf richtete, zugleich die Möglichkeit ausloteten, Aufträge zur Lieferung von Material für die saarländische Polizei zu erhalten. Dies zeigen CORRECTIV vorliegende Dokumente. Dazu gehört eine Notiz, auf der die Bankverbindung eines Beamten aus dem Beschaffungswesen des saarländischen Innenministeriums jener Zeit handschriftlich notiert ist – es ist jedoch die Konto-Nummer der demokratischen Gesellschaft.

Weder die Stiftung Demokratie Saarland noch Läpple haben dafür im Gespräch eine Erklärung. Der für das Beschaffungswesen zuständige Beamte reagierte nicht auf Versuche von CORRECTIV, ihn zu kontaktieren. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Geschäftsleute tatsächlich Aufträge erhielten. Das saarländische Innenministerium teilt mit, dass es keine Akten über die Usbekistan-Partnerschaft mehr hat.

„Anforderungen an Transparenz weiterentwickelt“

Läpple und die Stiftung betonen ausdrücklich, dass die Finanzierung des Usbekistan-Fonds durch die Geschäftsleute sauber gewesen sei. Die Stiftung sagt, dass die Vorgänge lange her seien und sich die Anforderungen an Transparenz auch weiterentwickelt hätten. Die Stiftung hat sich auf Anfrage von CORRECTIV um Transparenz bemüht und versucht, die Zahlungsflüsse von damals aufzuklären. Läpple sagt zudem, die Geschäftsleute mit Verbindungen nach Usbekistan hätten sich von der Unterstützung lediglich ein gestiegenes Renommee bei ihren Kontakten in Usbekistan erhofft.

Einer von ihnen war Albert Boußonville. Er lebt heute in einem einfachen Reihenhaus in Völklingen und erinnert sich an die Geschenke, an die Stifte in Gold und die teuren Fahrzeuge von Mercedes. Und er ist weiter kämpferisch. Er will sich weiter mit Daimler streiten. Er hat noch nicht abgeschlossen mit seinen goldenen Jahren in Usbekistan.