Einwohnerverlust: Wie die Landkreise schrumpfen

Das Saarland wird einen großen Einwohnerverlust haben. Bis 2040 mehr als 100.000, sagen amtliche Prognosen (Wir berichteten). Ursachen sind einerseits  demografisch ein großer Sterbeüberschuss und Abwanderungen, andererseits wirtschaftlich die Strukturschwäche und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Der Wohlstand wird wohl sinken. Wohin steuert das Saarland? Zweiter Teil der Serie mit den amtlichen Prognosen für die nächsten 18 Jahre.

Nach dem Ende des Bergbaus sucht das Saarland eine neue wirtschaftliche Perspektive. Zu den strukturellen Veränderungen kommen große Einwohnerverluste. Diese führen zu sinkenden Einnahmen des Landes, geringerer Kaufkraft, weniger Wohlstand.
So wird sich die Bevölkerung im Saarland entwickeln

Zum Bevölkerungsrückgang des Saarlandes liegen zwei aktuelle Prognosen vor: der Raumordnungsbericht der Bundesregierung und die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts. Die Experten sind sich einig, dass das Saarland in allen Altersgruppen viele Einwohner verlieren wird, außer bei den Senioren. Jetzt hat die Bundesregierung dem Bundestag die sogenannte Raumordnungsprognose „Einwohner“ vorgelegt. Daraus ergibt sich für das Saarland eine katastrophale Perspektive.

  • Das Saarland wird in der Altersklasse der Erwerbsfähigen, bei den 20- bis 65jährigen, ca. 125.000 Einwohner verlieren. Es ist die für die Wirtschaft im Lande und den Wohlstand seiner Menschen die wichtigste Altersgruppe. Mit ihrem Einsatz und ihren Fähigkeiten sorgt sie für Produktivität, Steuereinnahmen, Wertschöpfung, Kaufkraft und Wohlstand. Die Industrie- und Handelskammer mahnt, dass schon bis 2030 rund 80.000 bedarfsgerecht ausgebildete Facharbeiter fehlen werden.

Die Lücke ist immens. Dass sie durch eine radikale Einwanderungspolitik geschlossen werden könnte, erscheint illusorisch. Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger will zunächst die Abwanderungswilligen im Land halten. Sie hat eine „Rückhol- und Halteagentur“ gegründet, die um Neusaarländer werben und Abwanderungswilligen berufliche und private Chancen im Saarland aufzeigen soll. „Ein kleiner Baustein gegen Fachkräftemangel und Bevölkerungsschwund”, sagt die Ministerin.

  • Auch bei den Kindern, Jugendlichen und Heranwachsende(bis 20 Jahre) wird das Land 8.000 Einwohner weniger haben. Alle Landkreise außer dem Regionalverband Saarbrücken verlieren junge Menschen.

Unterm Strich also ein Einwohner-Minus von 103.000 Personen bis 2040. Die Saar-Bevölkerung wird um 10,4 Prozent abbauen. Außer Sachsen-Anhalt (14,4 Prozent) verliert kein Bundesland so viele „humane Ressourcen.“ 

  • Einen Bevölkerungszuwachs wird es im Saarland nur bei den Rentnern (über 65 Jahre) geben: plus etwa 30.000 Personen.
  • Die Gesamteinwohnerzahl wird also nach BBSR-Prognose unter der Grenze von 900.000 Einwohnern sinken. Der Verlust entspricht in etwa der Einwohnerzahl des Kreises Merzig-Wadern.
  • Das Durchschnittsalter wird von derzeit 46 Richtung 50 Jahre steigen. Der Standard-Saarländer ist dann ein „Silver Ager“, wie Marketing-Experten die Altersgruppe über 50 Jahre bezeichnen.
  • Jeder vierte Saarländer wird 2040 allein leben. In fast der Hälfte der Haushalte wird nur noch eine Person wohnen. Insgesamt werden etwa 30.000 Haushalte, so die Prognose, von heute im Jahr 2040 aufgelöst sein, wegen fehlender Bewohner.
Kreis St. Wendel verliert am meisten

Am stärksten unter Bevölkerungsschwund wird der Kreis St. Wendel leiden. Er verliert jeden siebten Einwohner, insgesamt so viele Menschen, wie zurzeit in Marpingen wohnen. Der Landkreis Neunkirchen verliert quasi die Einwohner Eppelborns, der Saarpfalz-Kreis die Einwohner von Gersheim und Mandelbachtal. Der Landkreis Saarlouis wird etwa in der Größenordnung der Stadt Lebach schrumpfen und der Kreis Merzig-Wadern um die Gemeinde Perl. Der Regionalverband mit der Landeshauptstadt Saarbrücken verliert prozentual am wenigsten, aber so viel, als wären Großrosseln, Friedrichstahl und Kleinblittersdorf in 18 Jahren menschenleer.

Saarländische Landkreise schon heute im Bundesvergleich abgehängt

Die saarländischen Landkreise sind im Bundesvergleich bereits heute vergleichsweise unattraktiv. Das hat das Regionalranking des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zu den Zukunftschancen aller deutschen Kreise ermittelt. Im Hinblick auf Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt und Lebensqualität belegte von insgesamt 401 Landkreisen bundesweit der Kreis St. Wendel Platz 239, der Saarpfalz-Kreis 267, Merzig-Wadern 305, Saarlouis 343, der Regionalverband 359 und Neunkirchen 370. Alles saarländischen Landkreise liegen also im besten Fall im hinteren Mittelfeld und belegen ansonsten Schlussplätze. 

Eine nachhaltige Landesentwicklung ist dringend erforderlich

Schlechte Aussichten für Regionen wie das Saarland, die bereits in der Vergangenheit unter schwacher Struktur und Einwohnerverlusten litten. Sie werden in Zukunft weiter an Attraktivität und Wirtschaftskraft verlieren, sagt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) voraus. In puncto Wettbewerbsfähigkeit steht das Saarland also vor kaum lösbaren Herausforderungen. Die Auswirkungen für unsere vorhandene Infrastrukturen sind immens und werfen viele Fragen auf. Kann es sich das Saarland beispielsweise noch leisten, für immer weniger Menschen die heutige Anzahl an Schulen, Krankenhäusern oder Schwimmbäder aufrecht zu erhalten? Machen die immer kleiner werdenden Landkreise in dieser Form noch Sinn? Die Strategien einer nachhaltigen Landesentwicklung müssen dringend neu gedacht werden, inklusive konkreter Ziele und Wege dorthin.

Quellen:
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Raumordnungsprognose, Dezember 2021
Bundesamt für Statistik: 14. Bevölkerungsvorausberechnung vom März 2021
IW-Trends 2/2020 Ländliche Regionen in Deutschland – Ergebnisse des IW-Regionalrankings 2020

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Bisher in der Serie „Wohin steuert das Saarland?“ erschienen:
200.000 Einwohner weniger – Wohin steuert das Saarland?

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