Für den saarländischen Geschäftsmann Albert Boußonville liefen die Geschäfte in Zentralasien nur wenige Jahre prächtig. Boußonville glaubt, dass mafiöse Strukturen im usbekischen Staat versuchten, ihn als Mittelsmann auszuschalten und direkt mit Mercedes-Benz ins Geschäft zu kommen. Er geriet in das gnadenlose Geschäft von bestechlichen Politikern, der Mafia und Westfirmen, die mit großem Druck die Exporte anleierten.
Boußonville erzählt von einem Anschlag auf sein Leben in den usbekischen Bergen, von einem Unfall auf einer deutschen Autobahn. Als er im Krankenhaus lag, kündigte Mercedes-Benz 1996 nach Aussage von Boußonville den Vertrag mit ihm. Einige Jahre später erhielt er keinen Zugang mehr nach Usbekistan. Auch mit Daimler stritt er sich später vor Gericht.
Die Geschichte von Usbekistan, das nördlich von Afghanistan liegt und eine Bevölkerung von etwa 33 Millionen hat, nahm keinen guten Lauf. Islam Karimow, zu Sowjetzeiten der Parteisekretär der Sowjetrepublik Usbekistan, regierte bis zu seinem Tod 2016 mit harter Hand das Land. Karimow ließ systematisch foltern und schoss 2005 im Massaker von Andischan einen Volksaufstand gegen seine Willkürherrschaft mit Panzerwagen zusammen. Tausend Menschen starben, vielleicht waren es noch mehr. Angefixt auch durch das Schmiergeld von deutschen Konzernen wie Mercedes-Benz verwandelte Karimow das Land in eine Kleptokratie.
Nach seinem Tod reichten Schätzungen des Vermögens einer seiner Töchter bis zu einer Milliarde US-Dollar. Erst 2020 vereinbarte die Schweiz mit Usbekistan, dass 130 Millionen US-Dollar ihres Vermögens an das zentralasiatische Land zurückfließen sollen. Boußonville erzählt, dass Karimow ohne sein Wissen Direktor des Konzern Taschkent Lada war – mit dieser Firma hatte Boußonville das Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das die Mercedes-Fahrzeuge importierte.
Unterstützung aus Berlin
Die Bundesregierung unterstützte das Schmiergeld-Festival in Usbekistan mit Export-Bürgschaften des deutschen Steuerzahlers, wie CORRECTIV vorliegende Unterlagen zeigen. Und das, obwohl das deutsche Außenministerium über die Korruption im Bilde war – schließlich wandte sich ein Konzern wie Mercedes-Benz unverblümt an die Botschaft in Taschkent, um Rat bei der Übergabe von Fahrzeugen an die usbekischen Kunden einzuholen.
Im Januar 1995 schrieb der Konzern an den deutschen Botschafter in Taschkent, man wolle einen Bus, „den wir im vergangenen Jahr ohne Vertrag und ohne Berechnung geliefert haben, als Geschenk an den Präsidenten, Herrn Karimow, übergeben“. Man wolle „durch diesen Akt eine politische Stabilisierung in unserer Geschäftsabwicklung der Stadtbusse erreichen“.
Das hielt den Botschafter nicht davon ab, sich mit usbekischen Ministern zu treffen, um sich für eine „koordinierte Verkehrspolitik“ einzusetzen. Diese sollte den „Absatz einer größeren Anzahl von schweren Lastkraftwagen in Zentralasien“ gewährleisten, schrieb er an die Firmenzentrale in Stuttgart.
Boußonville mit dem Bundespräsidenten in Usbekistan
Die Widersprüche deutscher Außenpolitik zeigt auch ein Besuch des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog in der Region im April 1995 – es sollte eine Art Werbetour für die Demokratie sein. „Usbekistan hat die Grundsatzentscheidung für die demokratische Öffnung zu einer pluralistischen, rechtsstaatlichen Gesellschaft getroffen“, schwadronierte er vor Karimow. „Wir verfolgen die einstweilen vorsichtigen Schritte, die Sie auf diesem Wege tun, mit großer Sympathie und wünschen Ihnen dabei Mut und Konsequenz.“
Annäherung durch Bestechung
Im Schlepptau des Staatsoberhaupts fand sich der Geschäftsmann Albert Boußonville aus dem Saarland, der mit Geldbündeln durch die Ministerbüros in Taschkent ging und dem usbekischen Machthaber Autos und goldene Füller schenkte. Die Wirkung auf die usbekischen Regierungsvertreter dürfte klar gewesen sein: Der Unternehmer handelt mit Billigung und Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland. Nicht Menschenrechte, Demokratieexport oder Rechtsstaatlichkeit sind Deutschland wichtig, sondern der Verkauf von Autos – und dafür darf die Elite eines neuen Staatswesens nach allen Regeln der Kunst geschmiert werden. Der Bundesrepublik ging es nicht um Wandel durch Annäherung sondern um Annäherung durch Bestechung, so die Botschaft.
Albert Boußonville sagt im Gespräch mit CORRECTIV, dass es damals keine Alternative gab zu den Schmiergeldzahlungen. Er glaubt nicht, dass die Geschichte Zentralasiens anders hätte verlaufen können. Er sagt, er habe damals durchaus über die Bestechung nachgedacht. Die sei keine gute Art, Geschäfte zu machen. „Ich bin ja da rein geschmissen worden. Aber ich kannte das schon hier aus Deutschland in kleinerem Maßstab, deswegen war das für mich nichts Neues.“
Methoden aus der deutschen Heimat
Vor seiner Zeit in Zentralasien belieferte Boußonville bereits die deutsche Autoindustrie mit Maschinen für die Produktion. Aufträge erhielt er, indem er die Manager mit Geschenken bedachte, sagt er. „Nur nicht in dem Maße wie in Usbekistan. Die waren mit fünf Kilo Gold zufrieden, wenn man einen Auftrag gekriegt hat. Dann durfte man mit den Herren nach Luxemburg fahren und hat Gold geschenkt.“ Das Gold habe er bei der dortigen Zentralbank gekauft. Oder er habe Vertreter seiner Kunden zu teuren Reisen in die USA eingeladen. „Das war normal“, sagt Boußonville zunächst. „Das war normal!“ ruft er dann.
Besonders erinnert er sich an den Anruf eines Managers vom Saarbrückener Standort eines der größten Auto-Zulieferers der Welt, in einem November: „Albert, ich würde meiner Tochter gerne ein Auto schenken, einen roten VW-Käfer.“ Boußonville kaufte das Auto, band eine Schleife drum und stellte es kurz vor Weihnachten vor das Haus des Auto-Managers. Dann ließ er einfach den Schlüssel stecken und ging weg. „Und nach Weihnachten ist seine Tochter damit rumgefahren. Ich habe Aufträge dafür bekommen.“