In Sachen Transparenz bei der Sportförderung im Saarland zeigen CDU und SPD keine Einsicht. Sie blockieren weiterhin offene Informationen und verweigern dem Parlament und den 2.300 Breitensportvereinen Mitsprache und Einsicht bei der Vergabe der öffentlichen Gelder. Grund: Sie müssten befürchten, dass alte Seilschaften und Ungereimtheiten wie Millionen-Zahlungen an den Profisport auffliegen.
Das Fiasko beim Landessportverband dauert schon über ein Jahr, ohne große Fortschritte. Zur Erinnerung: Ein 15 Millionen-Loch in der LSVS-Kasse, der zur Überbrückung angekündigte Kredit der Saar LB hängt seit Monaten im Ungewissen. Misswirtschaft im Präsidium, Selbstbedienung, Günstlingswirtschaft – „Wie konnte sich der Dachverband jahrelang der Kontrolle der Regierung entziehen?“ fragt der SPIEGEL fassungslos.
„Saarlermo“ systematisch aufgebaut
Antwort: Es stellt sich so dar, als sei die Kontrolle gar nicht gewünscht. Die von SPIEGEL Online (6. April) in Anlehnung an die Korruption im sizilianischen Palermo als „Saarlermo“ bezeichnete Günstlingswirtschaft haben führende Politiker und Funktionäre offensichtlich über Jahre hinweg zielstrebig angelegt. Im Zentrum der Aktivitäten häufig Annegret-Kramp-Karrenbauer. In vielen Funktionen war sie Strippenzieherin im Geflecht von Toto-Millionen und Sport-Sponsoring, als ehemalige Sportministerin, als Aufsichtsratsvorsitzende des Geldgebers Saartoto, als Rechtsaufsicht über den Geldempfänger Landessportverband.
Kramp-Karrenbauer in der Mitte des Netzes
Als Ministerpräsidentin hat sie im Konsens mit dem Groko-Partner SPD das System „der Vetternwirtschaft und politischer Abhängigkeiten“ (SPIEGEL Online) noch verfeinert. Immer höher wurden die Summen, die Kramp-Karrenbauer vom jährlichen Millionen-Fluss von Saartoto auf ein Nebenkonto außerhalb der LSVS-Buchführung umleiten ließ. Auch Sponsor-Millionen flossen in die geheim gehaltene Kasse. Aus einem Saarlandinside vorliegenden Landtagsprotokoll lässt sich errechnen, dass Politiker und Sportfunktionäre allein aus dieser schwarzen Kasse an die zehn Millionen Euro nach Gutdünken verbraten haben. Sie haben Spendenschecks im Kramp-Karrenbauer-Wahlkampf 2017 verteilt und mit sechsstelligen Beträgen Spitzensportler an die Saar geholt. Viele notleidende Sportvereine gingen dagegen leer aus.
„Strukturen, die zur Korruption geradezu einladen“
„Strukturen, die zu Korruption und Machtmissbrauch geradezu einladen“, sieht Jochen Flackus von der Linksfraktion. Er bekommt Unterstützung von höchster Juristenstelle. „Die Art und Weise, wie die Saartoto-Millionen verteilt werden, ist nicht haltbar“, sagt der Saarbrücker Staatsrechtler Christoph Gröpl. Die Lotto-Toto-Einnahmen tauchten nicht im Landeshaushalt auf, obwohl sie dorthin gehörten. Seine Forderung: Nicht eine kleine eingeschworene Politik-Sport-Clique dürfe über die öffentlichen Gelder von Toto entscheiden, sondern der Landtag. Saartoto solle aufgelöst und das Glücksspiel-Management in das Finanzministerium verlagert werden. Sämtliche Bundesländer (außer Berlin) beteiligen das Parlament bei der Verteilung der Glücksspielmillionen oder haben das staatliche Glücksspielgeschäft in die Landesverwaltung integriert.
„Das System demokratisch durchlüften“
Gröpls Urteil: „Mit Saartoto hat sich die saarländische Politik einen ‚Nebenhaushalt‘ par excellence geschaffen. Dieses gesamte System der Verwaltung und Verwendung der Einnahmen aus dem öffentlichen Glücksspielwesen geht meines Erachtens nicht in Ordnung. Die Fenster müssen geöffnet und das System kräftig demokratisch belüftet werden.“
Linke: klare Strukturen und Stopp dem Postengeschacher
Mehr frische Luft im Saartoto-LSVS-Mief fordert die Linksfraktion im Landtag schon seit langem. Am heutigen Mittwoch (10. April) hat sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, der klare Strukturen schaffen, für Transparenz sorgen und Postengeschacher und Parteienfilz verhindern soll. Die Rechtsaufsicht, bei der Innenminister Klaus Bouillon (CDU), kläglich versagt hat soll gestärkt und um eine Finanzaufsicht ergänzt werden. Der LSVS soll professionellere Strukturen erhalten mit zwei hauptamtlichen Geschäftsführern. Fraktionsgeschäftsführer Jochen Flackus: „Wir wollen Transparenz in der Mittelvergabe statt der bisherigen Hinterzimmer-Wirtschaft. Deshalb soll der Landtag über die Verwendung des Sport-Achtels unter den Augen der Öffentlichkeit entscheiden; der Rechnungshof soll regelmäßige die den sauberen Umgang mit den Finanzen prüfen“.
FDP: Politiker sollen sich aus dem operativen Geschäft raushalten
Auch die FDP Saar sieht dringenden Handlungsbedarf. Der sportpolitische Sprecher der FDP-Saar, Joachim Geiger, fordert, politisch aktive Personen sollten sich aus dem operativen Geschäft raushalten, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Außerdem sollen alle Vereine Einblick in die Mittelvergabe erhalten, mittels einer Zuwendungsdatenbank mit Verwendungsnachweisen. Als Ansprechpartner für Vereine schlägt die FDP einen Ombudsmann vor.
Nebelkerzen und taktische Winkelzüge der Groko
So viel Transparenz und Ordnung können CDU und SPD gar nicht gebrauchen. Sie lehnen den Vorschlag ab. Die ca. 15 Millionen Euro jährlich sollen weiterhin direkt von Saartoto an den LSVS fließen, ohne parlamentarische Mitwirkung. Dünne Begründung von CDU-Fraktionschef Funk: Die Eigenständigkeit des Sports solle bestehen bleiben. Sein Kollege von der SPD, Stefan Pauluhn, versteigt sich zur Behauptung, neue Strukturen würden den Saarsport zerstören. Nebelkerzen, die geeignet sind, die 2.300 Vereine und ihre 370.000 Mitglieder im LSVS weiter zu verunsichern. Denn die Eigenständigkeit des Saarsports wollen weder Linke noch FDP antasten und die Mittel werden auch nicht gekürzt.
SPD-Mann Pauluhn als Toto-Direktor im Gespräch
Der Groko geht es schlicht darum, dass die Öffentlichkeit keinen Einblick in das Millionen-Geschäft mit Saartoto bekommt. Und Saartoto auflösen, wie es Prof. Gröpl fordert? Schon gar nicht. Landtagsgerüchten zufolge bemüht sich SPD-Mann Pauluhn um den SPD-Geschäftsführerposten bei Saartoto, dotiert mit 260.000 Euro, dazu Dienst-Karosse und Fahrer.
Das neue LSVS-Präsidium im gleichen Fahrwasser wie das alte
Der neue LSVS-Präsident Adrian Zöhler, den die ehemaligen LSVS-Granden Franz-Josef Schumann, Gerd Meyer, Kurt Bohr und einflussreiche Sportfachverbände auf den Thron gesetzt haben, weiß jedenfalls, was von ihm erwartet wird. Im Aktuellen Bericht zeigte er sich beleidigt, von der Linken-Initiative habe er aus der Presse erfahren. Zöhler kündigte an, er wolle lieber mit den Koalitionsparteien CDU und SPD zusammenarbeiten. Kein Interesse an einem überparteilichen Konsens.
Transparent arbeiten und Compliance-Regeln einhalten – in der saarländischen Politik stehen dafür die Zeichen weiterhin schlecht. Ein erfahrener Insider der mittlerweile einjährigen Sanierungsbemühungen sieht einen Hauptgrund: „Die haben alle Leichen im Keller. Da tut keiner dem anderen weh.“
Wir brauchen Politiker, „wo man wirklich spürt, denen geht es nicht um sich, sondern sie stellen sich zurück für den Dienst am Gemeinwohl.“
Bischof Stephan Ackermann über Anstand in der Politik
Wenn Sie die nächsten Saarlandinside-Beiträge nicht verpassen wollen, informieren wir Sie gerne rechtzeitig per Newsletter. Hier kostenlos bestellen.
Bitte weitersagen,
dass Saarlandinside als wichtige Informationsquelle zur Verfügung steht. Nutzen Sie dazu bitte die Social-Media-Leiste am linken Rand. Herzlichen Dank.