Jetzt müssen schon Behörden im Auftrag der CDU an den Wahlprogrammen der Parteien mitarbeiten. Die Spitze der Saar-CDU hält dies auch noch für normal. Und die Hemmschwelle der Partei-Oberen beim Streben nach persönlichem Machterhalt sinkt weiter.
Der öffentliche Dienst: Machtbasis der Parteien
Die Parteien missbrauchen immer stärker den Staatsdienst für Erhalt und Ausbau ihrer Macht. Jüngster Eklat bei der Präsentation des Programms der Saar-Christdemokraten. Die Ministerpräsidentin verspricht darin u.a. eine Milliarde Investitionen für die nächsten zehn Jahre und schenkt jedem Kind ab nächstem Jahr 2.000 Bildungs-Euros. Und das Besondere? „Wir haben dieses Programm, unseren Zukunftsplan Saar, bewusst auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums durchrechnen lassen, auch denjenigen der Haushaltsabteilung. Wir haben diese um eine Expertise gebeten“, verplapperte sich Kramp-Karrenbauer im Aktuellen Bericht (16.Februar). Ganz so, als wären Regierungsapparat und Partei das ein und dasselbe. Und nach der ersten öffentlichen Empörung über den Fehltritt der Ministerpräsidentin trat das Finanzministerium die Flucht nach vorne an und bezeichnete den Vorgang als normalen Vorgang. Kein Schamgefühl ob des Ertapptwerdens beim Verletzen demokratischer Grundregeln.
Piratenfraktion erreicht Kostenerstattung
Die Piraten im Landtag griffen mit als erste den Skandal auf und forderten, dass die CDU wenigsten die Kosten für die Expertise der Finanz-Beamten zahlen müssen. In dem Punkt hat Finanzminister Stefan Toscani klein beigegeben: Er hat der CDU eine Rechnung über 5.200 Euro geschickt.
„Beamte des Finanzministeriums keine Wahlkampftruppe der CDU“
Für Oskar Lafontaine ist die Ministeriumshilfe „ein einmaliger Vorgang“. Er wirft der Annegret Kramp-Karrenbauer vor, den Regierungsapparat für ihren Wahlkampf zu missbrauchen: „Die Beamten und Angestellten des Finanzministeriums sind keine Wahlkampftruppe der CDU.“ Hubert Ulrich von den Grünen pflichtet bei: „Wir halten das Vorgehen der Saar-CDU für eine klare Zweckentfremdung von Steuergeldern. Die Ministerpräsidentin hat die Mitarbeiter des Finanzministeriums zu Vasallen im Wahlkampf gemacht“. Auch der Rechnungshof hält den CDU-Verstoß für rechtswidrig.
„Illegale Parteienfinanzierung?“
Für Prof. Dr. Joachim Wieland, Rektor der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, ist die CDU-Affäre auch verfassungsrechtlich bedenklich; es liege wahrscheinlich illegale Parteienfinanzierung vor. Mit der Verfassungsmäßigkeit von Aktionen im Wahlkampf hatte die CDU schon mal Probleme. Die Regierung Peter Müller, heute Richter am Bundesverfassungsgericht, hatte im Wahlkampf mit Anzeigenserien und Broschüren für die CDU unzulässige Wahlwerbung betrieben. Das Saarländische Verfassungsgericht sah dies 2009 als verfassungswidriges Parteiergreifen für die CDU an. Konsequenzen hatte der oberste Richterspruch nicht. Beschwerdeführerin auf SPD-Seite war damals die jetzige Vertreterin Kramp-Karrenbauers, Anke Rehlinger.
Die Parteieliten brüskieren ihre Basis
Sicher, es geht bei der Rechenhilfe des Finanzministeriums für die CDU nur um einige Tausend Euro Schaden für den Steuerzahler, es geht aber vor allem ums Prinzip. Denn am aktuellen CDU-Skandal werden vor allem demokratieschädliche Phänomene deutlich:
- Ein Verfall von Sitte und Moral: Im (Wahl-) Kampf um persönliche Machtpositionen pfeifen manche Politiker auf den demokratischen Grundkonsens; dazu gehört die Selbstverständlichkeit, dass Parteiarbeit nicht im Beamtendienst erledigt werden darf. Wenn zwischen dem öffentlichen Dienst für den Steuerzahler und dem ganz privaten Engagement für die Partei kein Unterschied gemacht wird, dann drängt sich die Frage auf, was ansonsten noch alles für die Parteien während der Dienstzeit gearbeitet wird.
- Eine idealisierte Selbstwahrnehmung vieler Politiker und ihrer Getreuen: Sie ist die Bindungskraft innerhalb der Partei-Gemeinschaft mit eigenen Normen und Wertvorstellungen. Daraus ziehen sie dann auch die Legitimation zu Übergriffen und Missbrauch im Dienste der eigenen, immer guten Sache. Die Selbstgewissheit ist so stark, dass die Akteure glauben, Verstöße gegen Regeln und Recht auch noch öffentlich als normal darstellen zu können. Die Folge: Das Unrechtsbewusstsein schwindet, in der Partei und beim Wahlvolk.
- Entfernung der Parteieliten von ihrer Basis: In dem Maße, wie Parteiführungen ihre Wähler durch das Untergraben von Anstand und Moral brüskieren, verlieren sie an Vertrauen und fördern Partei- und Staatsverdrossenheit.
Postdemokratisch: Rücksichtslose Parteibuchwirtschaft
Missbrauch öffentlicher Institutionen einerseits und Privilegien andererseits sind Kennzeichen des Parteienstaates, der die politische Klasse zusammenhält. Die Parteibuchwirtschaft organisiert inzwischen in großem Stil die Versorgung eifriger Parteigänger im Landesdienst. Selbstbedienung bei Einstellungen und Beförderungen schafft den Parteien größere geldwerte Vorteile als ihre anderen Einnahmequellen. Ein weiteres Phänomen mit post-demokratischem Anschein. Saarlandinside berichtet zurzeit in mehreren Folgen darüber (siehe Archiv).
Postdemokratisch: Missbräuchlicher Umgang mit Steuergeld
Wenn die Landtagsfraktionen für Missgriffe in die Fraktionskassen in der Legislaturperiode 2004 bis 2009 im Jahre 2015 rund 325.000 Euro dem Steuerzahler zurückgeben mussten, ist dies allein schon bemerkenswert. Wenn aber der Rechnungshof feststellt, dass ein Fraktionsvorsitzender eine private Reise als Dienstreise deklariert und die Reisekosten erstattet bekommt, hat dies möglicherweise eine strafrechtliche Relevanz. In der Verwaltung wäre dies wie in einem Privatunternehmen Grund für eine fristlose Kündigung. Auch unrechtmäßig zugestandene Gehaltszahlungen an Fraktionsmitarbeiter in Höhe von 82.000 Euro hat für die Begünstigten keine Konsequenzen. Ist lange her, ist verjährt, sagt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken und stellt das vom Bund der Steuerzahler angestrengte Verfahren ein. Saarlandinside wird darüber noch berichten.
Postdemokratisch: Kein Interesse an nachhaltiger politischer Steuerung
Politiker haben berufs- und einkommensbedingt eine kurze Sicht der Dinge, den nächsten Wahltermin. Eine konsequent nachhaltige Politik – und dazu gehört an erster Stelle, die Pflicht, die Lebensqualität unserer Kinder und Enkelkinder folgenden Generationen nicht durch hemmungslose Schuldenpolitik zu beschädigen – hat da wenig Chancen. Beispiel Schuldenabbau: In zwei Jahren werden die Landesschulden auf 14,11 Milliarden Euro angestiegen sein. Ab 2020 will die Regierung mit dem Tilgen beginnen, mit 80 Millionen Euro im Jahr (Kramp-Karrenbauer: „vielleicht auch nicht in jedem Jahr“). Mit dieser Rate benötigte die Landesregierung 176 Jahre (!), bis die Schulden getilgt sind. Zum Vergleich: Das Land zahlte im letzten Jahr 400 Millionen allein für Zinsen, 400 Euro pro Saarländer.
Postdemokratisch: Die Unfähigkeit zu effizientem Management
Wenn sich in den Fachabteilungen der Ministerien immer mehr Parteigänger breitmachen und ausgewiesene Experten verdrängen, dann leiden Professionalität und Leistung des öffentlichen Dienstes. Eine Erklärung, warum in den letzten Jahren bei so vielen Bauprojekten des Landes – vom Saarland-Museum bis zum HTW-Hochhaus – peinliche Pannen und immense Kostensteigerungen das Saarland bundesweit lächerlich machen.
Fazit: Bad Governance – das politische Niveau im Saarland sinkt. Wesentliche Ursache ist das Gebaren insbesondere der großen Parteien. Das Verhalten der CDU in der aktuellen Rechnungshilfe-Affäre ist ein Beleg dafür.