RAG-Spende: Die Bredouille der Landesregierung

Es geht um die Genehmigung der Landesregierung für die Ruhrkohle AG, die saarländischen Bergwerke volllaufen zu lassen. Um die Folgeschäden für Mensch und Umwelt. Um die Saarpolitiker in Aufsichtsgremien im RAG-Konzern. Um Spenden der RAG-Tochter Evonik an die Saarpolitik. Wie passt das zusammen?

Eine Million Euro von Evonik auf Spezialkonto

Mit den Millionen-Zahlungen von Saartoto auf ein Spezialkonto beim Landessportverband (LSVS) (Saarlandinside-Bericht vom 16. Januar) war Annegret Kramp-Karrenbauers Geldbeschaffungsdrang noch nicht gestillt. Sie ging 2013 den Chemie-Riesen Evonik („Evonik Kraft für Neues“) um finanzielle Unterstützung für ihre politischen Anliegen an. Evonik gehört zum Konzern RAG-Stiftung. In deren Kuratorium saß Kramp-Karrenbauer von 2011 bis 2017. Eine Spende war zunächst für 2013 und 2014 zugesagt. Evonik zahlte bis dahin insgesamt eine halbe Million Euro.

Spende auf Drängen der Landesregierung

Kramp-Karrenbauer drängte auf mehr. 2015 wurde „unser Engagement auf Bitten der damaligen Landesregierung verlängert“, sagt Evonik gegenüber Saarlandinside. Bis 2018, als die Evonik-Stiftung im Zuge des Desasters beim LSVS die Förderung einstellte. sind insgesamt auf dessen ominöses Spezialkonto eine Million Euro gelangt. Darüber hinaus tritt Evonik auch als Parteienspender auf. SPD und CDU erhielten jeweils ca. 80.000 Euro im Jahr. Die letzte Rate im November ging an Kramp-Karrenbauer, in ihrer Funktion als Generalsekretärin der CDU.


IMMER GUT AUFGESTELLT: Die CDU-Mannschaft um Annegret Kramp-Karrenbauer (hinten links) und die Spielwiese Spezialkonto Landessportverband. Sie waren spielentscheidend, wenn es um die Verteilung der Evonik-Million ging: Ministerpräsident Tobias Hans, Ex Landtags- und LSVS-Präsident Klaus Meiser, die ehemalige Sportministerin und langjährige Saartoto-Aufsichtsratsvorsitzende, Sozialministerin Monika Bachmann, Sportminister Klaus Bouillon, der Ex-LSVS-Präsident und Sportmultifunktionär Gerd Meyer (von links).

Saarpolitiker im RAG-Konzern tätig

Zwischen saarländischen Politikern bestehen vielfältige Verbindungen in den RAG-Konzern. „Geborene“ Mitglieder des Kuratoriums der RAG-Stiftung sind der saarländische Ministerpräsident, bis 2017 Kramp-Karrenbauer, seitdem Tobias Hans, und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Als „weiteres“ Mitglied firmiert Außenminister Heiko Maas in diesem Aufsichtsgremium. Die 13 Mitglieder des Kuratoriums erhielten 2017 eine Vergütung von insgesamt 200.000 Euro. Weiterhin sitzt Ex-Landtags- und LSVS-Präsident Klaus Meiser für den Anteilseigner im Aufsichtsrat der RAG-AG. Seine 19 Mitgliedern erhielten 2017 eine Vergütung von 900.000 Euro.

RAG will Umweltkosten sparen

Die RAG-Stiftung hat die „Ewigkeitsaufgaben“ finanzieren, d.h. in alle Ewigkeit dafür zu sorgen, dass aus den stillgelegten Bergwerken keine Schäden für Mensch und Umwelt entstehen. Dafür muss u.a. Evonik den Jahresgewinn (2017: 2,36 Milliarden Euro) an die RAG-Stiftung abführen. Die RAG-AG führt diese Maßnahmen im Stiftungsauftrag durch. Eine wichtige  ist das Abpumpen des Grubenwassers von Untertage, um ein Ansteigen im Schacht und eine Vermischung mit dem Trinkwasser zu verhindern. „Im Saarland ließe sich … aufgrund der günstigen geologischen Verhältnisse voraussichtlich ganz auf das Pumpen verzichten.“ Das RAG-Konzept: Die Saargruben so hoch volllaufen zu lassen, dass das Grubenwasser im natürlichen Gefälle in die Saar fließen kann, wo dann die Schadstoffe, Salze und krebserzeugendes PCB, unter die Grenzwerte verdünnt werden. Die RAG spart durch die Grubenflutung laut Saarbrücker Zeitung 20 Millionen Euro im Jahr.

Gravierende Gesundheitsrisiken

Fachleute und Gutachter sehen durch den Wasseranstieg im saarländischen Bergwerk-Verbund gravierende gesundheitliche und ökologische Risiken. Giftstoffe können ins Grundwasser gelangen. Radioaktives Radongas, in saarländischen Bergbaugemeinden als mögliche Ursache für gehäufte Lungenkrebs-Erkrankungen verantwortlich gemacht, könne verstärkt austreten. Außerdem steige das Risiko von Grubenbeben. Bei einer Experten-Anhörung im Landtag wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Luksic (FDP) legt Gutachten vor

Gegenüber den Schutzinteressen ihrer Bürger zeigt sich die Landesregierung weiterhin wenig auskunfts- und gesprächsbereit. So machen Bundes- und Landespolitiker Druck. Oliver Luksic, FDP-Bundestagsabgeordneter, hat nach einer kleinen Anfrage von der Bundesregierung die Auskunft erhalten, dass die Landesregierung eigentlich eine Verträglichkeitsprüfung nach EU-Recht durchzuführen hat, wenn eine Beeinträchtigung von FFH-Gebieten nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.  Und ein von Luksic angefordertes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zum Thema Radon ist ebenfalls eindeutig: Das Gutachten beschreibt ausführlich, dass die Austritte und Konzentrationen von Radon im Zuge des Grubenwasseranstiegs temporär ansteigen und vereinzelt bestehen bleiben können. Gerade in Gebäuden ist Radon gesundheitsgefährdend. “Es liegt eine besondere Gefährdung der Bevölkerung vor”,  sagt Luksic. Es gibt keinen Grenzwert, unterhalb dessen Radon nicht krebserregend ist. Außerdem stellt das Bundesamt für Strahlenschutz fest: „Hohe Radonkonzentrationen in Gebäuden können in allen Regionen des Saarlandes auftreten.“

„Landesregierung darf sich nicht wegducken“

Der Verein „Pro H2O Saar“ zum Schutz der Oberflächengewässer und des Grund- und Trinkwassers macht mit Aktionen mobil: “Die RAG hält an ihren Flutungsplänen fest, leider unter Duldung der Landesregierung. Eine Politik gegen Menschen, wie beim Bergbau jahrelang ertragen, darf es im Saarland nicht wieder geben. Wir wollen den Anstieg des Grubenwassers verhindern.“ Auch der Landesverband der Bergbaubetroffenen fordert in einer Petition mit 8.500 Unterschriften an den Landtag, das Land dürfe den Flutungsantrag der Ruhrkohle nicht genehmigen. Und Jochen Flackus, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Landtag, fordert: „Die Landesregierung ist verpflichtet, Schaden von den Saarländern abzuwehren. Sie hat die RAG in die Pflicht zu nehmen und nicht die Variante durchzudrücken, die die RAG am wenigsten kostet. Die Landesregierung darf sich hier nicht einfach wegducken“. Und die  AfD hält es “für unvorstellbar, die bestehenden Risiken einer Flutung der Gruben auf dem Rücken der Saarländer auszutragen,” so ihr parlamentarischer Geschäftsführer Lutz Hecker.


ERLEBNISORT UND UMWELTBELASTUNGEN:  Die ästhetische Gestaltung des Wassergartens der Grube Reden kann über die Probleme nicht hinwegtäuschen. Grubenwasser wird aus 800 Metern Tiefe hochgepumpt und mit seinen Schadstofffrachten in den Klinkenbach geleitet.       Foto:  Gerd Wehlack / LEG

Brisante personelle Verquickungen

Die Verbindungen zwischen der Saarpolitik und dem RAG-Konzern sind darum von einiger Brisanz. Es geht um die Frage: Können Politiker, die Landesregierung und ihre Behörden noch unbefangen über den Antrag der RAG zur Grubenflutung im Saarland entscheiden, wenn Sie in deren Aufsichtsgremien die Konzern-Interessen vertreten müssen, gleichzeitig im Saarland Einfluss auf den Genehmigungsantrag der RAG haben und Geldzahlungen aus dem RAG-Konzern an Partei-dominierte Kreise im Saarland fließen?

Fazit: Bewusste Verquirlungen

In Anbetracht der Verflechtung zwischen Saarpolitik und RAG/Evonik ist die Frage nach der Besorgnis der Befangenheit zustellen, die bei persönlichen Beziehungen oder einem wirtschaftlichen Interesse oder engen wirtschaftlichen Beziehungen vorliegen kann. Sie greift bei Amtsträgern und auch bei Behördenleitern.  Im Falle der schwarzen Kasse beim Landessportverband, zu der auch Evonik mit einer Million Euro beigetragen hat, geht es im Kern noch um mehr: um bewusst gesteuerte Verquirlungen in einem bisher nicht für möglich gehaltenen Ausmaß, kombiniert mit einer intransparenten, der Kontrolle entzogen Finanzierung, um Abgeordneten, Ministern und Partei- und Sportfunktionären eine Spielwiese zu schaffen.


Saarlandinside-INFO:  Befangenheit
Unbefangenheit ist ein rechtsstaatliches Gebot und ein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz. Sie soll ein rechtsstaatlich einwandfreies und unparteiliches Verfahren garantieren. Sie ist im Prozessrecht und auch im Verwaltungsrecht ausdrücklich normiert. Weil dabei bereits der „böse Schein der Parteilichkeit“ ausgeschlossen werden soll, ist das tatsächliche Vorliegen von Befangenheit nicht erforderlich. Zum einen soll der Betroffene selbst gar nicht erst in die „Bredouille“ einer Gewissensnot gebracht werden; bereits deshalb hat er sich von der Mitwirkung im Verfahren zu enthalten. Deshalb reicht auch bereits die Besorgnis der Befangenheit aus. Neben diesem Schutz für den betroffenen Amtsträger soll durch das Mitwirkungsverbot auch insgesamt ein rechtsstaatlich sauberes Verfahren gewährleistet sein. Das Verfahren soll damit von vorneherein von möglichen sachfremden Einflüssen freigehalten werden. Nicht erforderlich ist der Nachweis, dass der Betroffene sein Amt wegen dieses Grundes tatsächlich in der Vergangenheit nicht unparteiisch ausgeführt hat oder künftig ausführen wird. Ausreichend ist vielmehr ein begründetes Misstrauen. Dies ist dann anzunehmen, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen nach den Gesamtumständen die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden. Als Beispiele werden hierzu genannt: persönliche Beziehungen oder wirtschaftliches Interesse und enge wirtschaftliche Beziehungen. Und genau darum geht es hier.


Quellen:
RAG-Stiftung und Evonik: Geschäftsberichte
Sitzungsprotokolle des saarländischen Landtags
Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Luksic u.a.: 
Grubenwasseranstieg im Saarland und Folgen für Infrastruktur, Eigentum und Umwelt, Drucksache 19/2636
Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Luksic u.a. : 
Bergbaubedingte Schäden im Saarland aufgrund des geplanten Grubenwasseranstiegs, Drucksache 19/3741
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Grubenwasserflutung im saarländischen Bergbau . Einzelfragen zur möglichen Belastung mit Radon.
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages:  Wasserrechtliche und strafrechtliche Fragen zur Grubenwasserhaltung
http://www.igab-saar.de, Landesverband der Bergbaubetroffenen Saar
https://proh2osaar.wordpress.com/

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