Saarland vors Bundesverfassungsgericht – wegen Postenschacher

Die Bundestagsfraktionen von Grünen, FDP und Linke wollen das Saarland vor das höchste deutsche Gericht ziehen. Anlass ist der Parteienschacher um die Wahl der CDU-Landtagsabgeordneten Ruth Meyer zur Direktorin der Landesmedienanstalt. Es geht darum, den Einfluss von Staat und Parteien in den Medien zurückzudrängen.

Eine Hochburg der Regierungsparteien sind die Medien. Wer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dominiert und Einfluss bei Zeitungen hat, kann die Verbreitung und die Inhalte von Informationen und Meinungen steuern.

Staat und Parteien müssen sich raushalten

Auch die Landesmedienanstalt Saar (LMS) ist begehrtes politisches Terrain. Sie hat das Programm des privaten Rundfunks und der Online-Portale zu kontrollieren und für Medien- und Meinungsvielfalt zu sorgen. Eine Aufgabe, bei der sich Staat und Parteien raushalten müssen, hat das Bundesverfassungsgericht unter dem Postulat „Staatsferne“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederholt klargestellt.

Die CDU-Abgeordnete Meyer hatte den Direktorenposten bei der Landesmedienanstalt Saar (LMS) schon sicher, bevor eine Ausschreibung stattgefunden hatte. Sie wurde für die volle Amtszeit von sieben Jahren gewählt. Laut Landesmediengesetz hätte sie nur für die Restlaufzeit ihres Vorgängers, des jetzigen Saarbrücker OB Uwe Conradt, für drei Jahre gewählt werden dürfen. © LMS

LMS-Direktorin ist seit letztem Jahr die ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Ruth Meyer. Die studierte Erziehungs- und Politikwissenschaftlerin und Sozialpsychologin – darüber hinaus hat sie noch Sprechwissenschaft und Sprecherziehung studiert – hat sich im letzten Jahr im Landtag nach GroKo-interner Absprache an die LMS-Spitze wählen lassen. Die Wahl durch den Landtag sieht das Saarländischen Mediengesetz vor. 

Das Saarland hat ein Problem mit der Staatsferne

Und eben dies ist der Casus Knacksus: Wegen der verfassungsrechtlich zwingend gebotenen Staatsferne hätte nicht der Landtag Meyer wählen dürfen, sondern der pluralistisch zusammengesetzte LMS-Medienrat mit seinen Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen. So urteilt der Medienrechtler Prof. Dieter Dörr in einem Gutachten für die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Damit sei das Gebot der Staatsferne gebrochen, das Saarländische Mediengesetz verfassungswidrig. Bundesweit erscheinende Medien hatten wiederholt moniert, dass im Saarland Parteien und Staats zu viel Einfluss auf die Medien nehmen. 

Prof. Dr. Dieter Dörr © Mainzer Medieninstitut
Direktoren üblicherweise vom unabhängigen Medienrat gewählt

Dörr verweist darauf, dass bis auf Baden-Württemberg alle Direktoren der Medienanstalten aus Gründen der Staatsferne vom unabhängigen Medienrat gewählt werden. Dörr gilt als international renommierter Experte für nationales und internationales Medienrecht und Leiter des Mainzer Medieninstituts. Er hat lange Zeit im Saarland geforscht und gelehrt; Dörr war auch Justiziar des Saarländischen Rundfunks.

Personalie Meyer bereits vor der Ausschreibung entschieden

Das Prozedere bei der Meyer-Wahl war eine Farce. Bevor die Direktorenstelle überhaupt ausgeschrieben war, hatte die Saar-GroKo Ruth Meyer als künftige Direktorin vorgestellt und ihre Wahl mit Zweidrittel-Mehrheit durchgedrückt. Dörr urteilt deutlich:

“All dies spricht dafür, dass eine politische Entscheidung über die Personalie bereits getroffen worden war, bevor das Besetzungsverfahren mit der Ausschreibung begann.”

„Die Regelung über die Wahl der Direktorin der Landesmedienanstalt verstößt in eklatanter Weise gegen den Grundsatz der Staatsferne.“

216 Bundestagsabgeordnete stehen hinter der Klage

Die Linke-Fraktion im Saar-Landtag hatte bereits im März beantragt, dass der Landtag die Regelung im Mediengesetz verfassungsrechtlich überprüfen lässt. Der Antrag wurde mit der Regierungsmehrheit weggewischt.  Barbara Spaniol, die medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion, damals enttäuscht:

“Damit bestätigt sich für viele Saarländerinnen und Saarländer nur der Wille der beiden Regierungsparteien, ihren Einfluss auch im sensiblen Bereich der Medien nicht zu verlieren und die Landesmedienanstalt weiter als ihren eigenen Erbhof behandeln zu können.”

Jetzt zieht eine Bundestags-Koalition von Grünen, FDP und Linke das Saarland mit seinem Mediengesetz vor das höchste deutsche Gericht. Die Fraktionen haben 216 Mitglieder, 174, ein Viertel des Bundestags, reichen für eine Verfassungsklage aus. Die Vereinbarung ist nach Saarlandinside-Informationen unterschrieben, das Geld zur Verfügung gestellt und Prof. Dörr als Vertreter vor dem Bundesverfassungsgericht benannt.

Hat sich der Saar-Landtag über das Grundgesetz gestellt?

Das Gesetz hatte die Staatskanzlei im Sinne der GroKo formuliert, der Landtag hatte es abgenickt. Die Frage, ob eine LMS-Direktorin vom Landtag oder von einem unabhängigen Medienrat gewählt wird, ist weder Petitesse noch juristische Finesse. Sie ist im weiteren Sinne Ausdruck dessen, wie weit Staat und Parteien gehen dürfen, wenn sie ihre Macht in den Medien und ihren Aufsichtsorganen ausweiten wollen. Es geht im Kern um die Rundfunk- und Pressefreiheit.  Der Saar-Landtag, so könnte das Verfahren in Karlsruhe ausgehen, hat sich dabei über das Grundgesetz gestellt.

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