Sechs Millionen für Minister-Marketing

Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit so hoch wie nie – Der größte Teil für Imagewerbung.

„Die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit werden auf ein unabdingbares Maß zurückgeführt“, unterschrieben CDU und SPD im Koalitionsvertrag 2012. Das Gegenteil ist der Fall: Die Ministerpräsidentin und ihre Minister geben für Werbung und Information so viel aus wie nie zuvor: 6,6 Millionen Euro im Vorwahljahr 2016. Das wenigste davon ist durch die Informationspflicht einer Landesregierung gedeckt. Hintergründe und Bewertung.

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Mehr als sechs Millionen Euro allein für die Ministerien
Kampagnen und Kommunikation, Ausstellungen und Auftritt, Feste und Faltblätter, Imagetermine und Internet, Messen und Marketing, Preise und Plakataktionen, Vorträge und Videos – die Öffentlichkeitsarbeiter der Landesregierung setzen alle Medien ein, die Politik akzeptabel machen, erfolgreich darstellen und das Ansehen ihrer Chefs mehren sollen. Vor allem im Wahlkampf besteht auch im Haushaltsnotlageland großer Bedarf nach Publicity-trächtigen Auftritten. Mehr als sechs Millionen Euro geben allein Staatskanzlei und Ministerien pro Jahr für politische Werbung aus. Die Personalkosten noch nicht eingerechnet.

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Auch die nachgeordneten Behörden haben Millionen
Auch die Landesämter und Landesbetriebe, sowie die Hochschulen verfügen in ihren Wirtschaftsplänen über eigene „Aufwendungen für Kommunikation, Dokumentation, Information, Reisen, Literatur und Werbung“: 10 Millionen Euro Sachmittel in diesem Jahr, dasselbe auch in 2017. Das Geld steht z.B. Saarforst, dem Landesbetrieb für Straßen aber auch der Uni (Gesamtansatz 6,6 Mio. Euro) und der HTW (Gesamtansatz 758.000 Euro) zur Verfügung. Zieht man die Posten „Reisen und Literatur“ raus, dürfte auch bei den nachgeordneten Behörden insgesamt noch ein guter sechsstelliger Betrag für die Öffentlichkeitsarbeit übrig sein. Auch hier die Personalkosten für Werbung und PR nicht eingerechnet.

Millionen auch in Fachtiteln versteckt
Darüber hinaus fließen weitere Mittel aus den für Fachprojekte wie z.B. Artenschutz oder INTERREG-Maßnahmen vorgesehenen Fachtiteln. Einige Beispiele:

  • Der Wirtschaftsminister finanziert mit einem Großteil der 780.000 Euro aus dem Titel „Zuschüsse an saar.is“ Messeauftritte zur Imageförderung des Wirtschaftsstandortes. Die Staatskanzlei zahlt ebenfalls an saar.is 600.000 Euro für die Imagekampagne.
  • Unter dem Titel „Förderung der Integration für Menschen mit Migrationshintergrund“ (641.000 Euro) werden auch Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema produziert.
  • Im Kulturetat stecken z. B. unter „Förderung grenzüberschreitender Projekte der Großregion“ 14.700 Euro für das Kulturportal plurio.net.
  • Hinter dem Titel „Maßnahmen zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), insbesondere des schienengebundenen Personennahverkehrs (SPNV)“ verbirgt sich ein Werbe-Vertrag mit der DB Regio. Das Land beteiligt sich damit u.a. an Plakatwerbung der Bahn. Es stellt sich die Frage, warum der saarländische Steuerzahler dem Unternehmen Bahn Jahr für Jahr 280.000 Euro spendiert zu einer Dienstleistung, die originär Aufgabe der Bahn ist, nämlich Fahrkarten zu verkaufen.

Hellhörig machen vor allem Erläuterungen im Kleingedruckten der Haushaltspläne. Die Fußnote „Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz“ steht euphemistisch für Werbung und Reklame. Wie viel hundert Tausend Euro die Regierung aus Fachtiteln tatsächlich für Öffentlichkeitsarbeit ausgibt, weiß keiner so richtig. Auch nicht der Rechnungshof. Es dürfte jedenfalls nochmal ein ansehnlicher sechsstelliger Betrag zusammenkommen.

Ein Heer von ca. 50 Presse- und Öffentlichkeitsarbeitern in den Ministerien
Für die Vergabe der Werbe-Millionen an Agenturen, Rundfunk, Fernsehen, Zeitung, Onliner, Druckereien und andere PR-Dienstleister, sorgt ein großer Mitarbeiterstab. An die 50 Planstellen dürften dafür in der Landesverwaltung eingerichtet sein: Marketing-Experten, immer mehr auch Online-Medienarbeiter, Pressesprecher, dazu noch eine erkleckliche Zahl von Mitarbeitern, die in den Fachabteilungen ihre besonderen Aufgaben vermarkten wollen. So kümmern sich im Wirtschaftsministerium Energiefachleute um „Informationskampagnen und -Veranstaltungen zu Fragen des Klimaschutzes“ und „Internet-Darstellung“, Bildungsexperten um „Öffentlichkeitsarbeit für Berufsausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung“, in anderen Ministerien betreiben sie fachbezogenes „Marketing“ und „internetbasierte Kommunikation“. Das für Presse und PR eingesetzte Personal kostet das Land zwischen 4 und 5 Millionen jährlich.

Hohe Qualitätsunterschiede
Was Output und Qualität anbetrifft, gibt es zwischen den Ministerien erhebliche Unterschiede. Erfolgreiches politisches Marketing steht und fällt zunächst mit der Qualität der Minister. Nur wer kohärente politische Konzepte hat und klug in effiziente Informationsmedien umsetzt, wird bei Entscheidern und Multiplikatoren, Volk und Wählern plausibel ankommen. Am besten gelingt dies noch dem Wirtschaftsministerium, es verfügt nach der Staatskanzlei auch über das größte Budget und mit Wolfgang Kerkhoff über einen PR-Mann mit mehr als drei Jahrzehnten Erfahrung in Politik-PR. Kerkhoff ist auch der Koordinator PR-Arbeit der SPD-Ministerien.

Die Minister und ihre Mindguards
Wie glaub- und ernsthaft sich Minister öffentlich in Szene setzen, hängt von der Professionalität ihres direkten Beraterumfeldes ab, ein weiteres Erfolgskriterium für Politik-Verkaufe. In der Hand dieser „Mindguards“ liegt es, an den Minister gerichtete Konzepte und Ideen aus den Fachabteilungen zu filtern oder zu fördern. Die Minister-Entourage ist ein ganz besonderer Mikrokosmos: Die Gruppe ist sich einig in der politischen Ansicht und in ihrem Auftrag:  die nächste Wahl gewinnen. Es herrscht die Illusion der Einstimmigkeit, Konflikte werden minimiert, Querdenken ist unerwünscht und Widersprüche werden passend interpretiert. Wer eine andere Meinung äußert, ist illoyal, schwach, voreingenommen. Das Verbundenheitsgefühl steigert sich zu euphemistischer (Selbst-) Wahrnehmung, bisweilen überbordendem Optimismus. Im Amt des Ministers mitzuarbeiten, verleiht moralische Überlegenheit. Das kann schon mal Leistung und Professionalität ersetzen: So stellt das eine Ministerbüro seinen Chef mit der Verwaltung von Posteingängen und Vermerken zufrieden, ein anderes schafft das mit klugen Konzepten für Projekte und Programme.

Gelbschwanzmakrele bei „Regional kochen“
Politik-Werbung muss im Saarland wohl durch den Magen gehen. Persönliche Eitelkeiten der Minister, manchmal auch politische Botschaften, werden gerne in Menüs verarbeitet. Sozialministerin Monika Bachmann lockt mit Rezepten wie „Lustige Mondgesichter“ zur Kampagne „Das Saarland lebt gesund“. Mit schwerer Kost hält die Europa-Beauftragte Helma Kuhn-Theiss in ihrem Kochbuch dagegen: „Lyonerrollaade“ mit Schinken und Parmesan gegrillt. Umweltminister Jost serviert in „Regional kochen“ „Carpaccio von der Gelbschwanzmakrele“ aus Aquakultur; er will damit den Gastronomie-Nachwuchs für Produkte aus der Saar-Heimat gewinnen. Innenminister Bouillon grillt für die Flüchtlinge. Allenfalls Anke Rehlinger kann im Tourismus-Portal unter Menüpunkt „Genuss“ nachvollziehbar Lust auf Dibbelabbes und Geheirade mit Saibling machen.

Aktionismus als Strategie
Viele Hobby-Köche rühren in der Werbetöpfen der Landesregierung und produzieren mit großem Aufwand Rezepte mit zweifelhaftem Nährwert. Als Topping immer obendrauf die Konterfeis der Minister. Vieles ist banal und inhaltsvoll wie Luftballons im Wahlkampf. Da fällt auch dem Saarländischen Rundfunk im „Aktuellen Bericht“ mangelnde politische Substanz auf, wenn er die Nachhaltigkeitsstrategie des Umweltministeriums als ein aktionistisches Zusammenschreiben von Initiativen entlarvt, die das Ministerium ohnehin durchführe.

Multiplikation ist alles
Manchmal gilt Masse statt Klasse. Zweifel sind angebracht, ob für eine Rehlinger-Einladung an ein branchenspezifisches Fachpublikum zu einem eintägigen Fachkongress „Industrie 4.0“ die landesweite Großflächen-Plakataktion (geschätzte Kosten: 30.000 Euro) im Hinblick auf Zielgruppeneffizienz das geeignete Medium war. Wir erinnern uns: Anke Rehlinger hat gegenüber Annegret Kramp-Karrenbauer in der Bekanntheit ein Minus wettzumachen. Da bekommt die gesamte Öffentlichkeit schon mal das Porträt der Ministerin auf Plakaten präsentiert, auf großen Flächen, landesweit, auch in Anzeigenserien und gemeinsamen Aktionen mit der Saarbrücker Zeitung, auf Faltblättern, im Internet; in Werbespots beim SR spricht sie die Hörer persönlich an. Multiplikation ist scheinbar alles.

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Sich gegenseitig überbieten
Die Politiker konkurrieren auch um Themen und Zielgruppen. Als Umweltminister Jost zu lange zögerte, das von seinem Vorgänger Mörsdorf jahrelang erfolgreich exerzierte Konzept „Tatort Dorfmitte“ der Agentur Ländlicher Raum zu übernehmen, legte die Ministerpräsidentin kurzerhand „Saarland zum Selbermachen“ auf. Und das Sozialministerium setzt mit „Alt und Jung – gemeinsam geht‘s besser“ noch einen drauf. Der Innenminister verteilt Urkunden fürs Ehrenamt, die Sozialministerin Pflegemedaillen. Der Zweck ist bei allen Aktionen dergleiche: Honorierung bürgerschaftlichen Engagements mit einem kleinen Geldbetrag, Pressetermin inklusive. Konkurrenz und Selbstdarstellungsbedarf sind bei einer in zwei Lager gespaltenen Regierungskoalition groß.

Nicht mal die Hälfte für regierungsamtliche Bürgerinformation
Rechnet man die Ausgaben der Ministerien und der nachgeordneten Behörden und die Personalkosten zusammen, dürften im Bereich der Landesverwaltung insgesamt 20 Millionen Euro im Jahr für Information und Werbung ausgegeben werden. Wer den ganzen Werbeaufwand unter die Lupe nimmt, wird feststellen, dass der geringere Teil dem engeren Informationsauftrag der Landesregierung gegenüber ihren Bürgern dient. Mehr als die Hälfte des Budgets und der Personalkosten, schätzungsweise so viel, wie das Land die Medizinische Fakultät für Lehre und Forschung ausstattet (ca. 11 Millionen Euro), gehen drauf für Image-Aktionen mit denjenigen, die demnächst auch auf den Wahlplakaten auftauchen werden. Die Millionen-Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit werden voraussichtlich auch in der nächsten Koalitionsvereinbarung „auf das unabdingbare Maß“ reduziert. Aber bis dahin gilt die Devise: Mediale Präsenz um fast jeden Preis.

Bis Weihnachten PR-Maschine auf Hochtouren
Sicher: Die Regierung ist befugt, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. „Sie darf und muss ihre Maßnahmen und Vorhaben darstellen und erläutern, in die Zukunft gerichtete Fragen aufwerfen und Lösungsvorschläge vorstellen und erklären“, so der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in seiner Entscheidung von 2010, mit der er unzulässige Parteiwerbung im Wahlkampf der Regierung Müller rügte. Die Verfassungsrichter machen klare Vorgaben: Verfassungsrechtliche Grenzüberschreitung sei schon, „wenn eine Regierung deutlich ihre Absicht zum Ausdruck bringt, im Amt bleiben zu wollen“. Unzulässige Wahlwerbung könne sich schon „aus Inhalt, Form oder Zeitpunkt von Verlautbarungen einer Regierung, vor allem der Veröffentlichung von Anzeigen und Broschüren, ergeben“. Der Partei-ergreifende Charakter könne dann vorliegen, wenn der informative Gehalt einer Publikation deutlich hinter die reklamehafte Aufmachung zurücktritt. Das Gericht setzte auch einen zeitlichen Rahmen: Für die Vorwahlzeit, drei Monate vor der Wahl, gelte „das Gebot äußerster Zurückhaltung und das Verbot jeglicher Steuergeld-finanzierter Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeitsberichten, Leistungsberichten und Erfolgsberichten.“ Bis Weihnachten also arbeiten die PR-Stellen der Ministerien auf Hochtouren: „Dezember-Fieber“.