Sportförderung im Saarland: Blankoschecks nach Belieben

Sportpolitiker glänzen gerne mit Spitzensportlern und Sportspektakeln. Das hebt das Image, festigt die Macht und bedient die Eitelkeit. Im Saarland kaufen sich Politiker und Funktionäre mangels Masse die Stars von außerhalb ein. Mit dem Geld der Steuerzahler und dem Spielgeld der Toto- und Lotto-Tipper.

Saarland zu klein für großen Spitzensport

Es ist eine Crux: Das Bundesland Saarland hat weniger Einwohner als die Stadt Köln und nur halb so viel Fläche wie der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Für den Spitzensport heißt das: Das Land ist einfach zu klein, um mit nationalen und internationalen Sport-Größen permanent glänzen zu können. Zwar sind die Saarländer immer noch Spitzenreiter beim Organisationsgrad im Vereinssport. Es fehlt aber die quantitative Breite anderer Bundesländer, die ausreichend Talente und Stars für den nationalen Spitzensport hervorbringen könnte. Es mangelt auch an potenten Sponsoren, um Spitzenkräfte auf Dauer im Lande zu halten.

Bouillons „Millionen-Offensive für den Sport“

Sportevents und Stars als schmückendes Beiwerk zur Politik zu entwickeln, dieses System haben die Minister, Toto-Direktoren und Sportpräsidenten der letzten Jahre immer weiterentwickelt. Perfektioniert hat es Sportminister Klaus Bouillon in seinem Zwang, als unaufhaltsamer Macher ständig mit Highlights zu glänzen. Im Eurosaar, dem Selbstdarstellungs-Magazin saarländischer Promis aus Politik, Wirtschaft und Finanzwelt, lässt er auf einer Hochglanz-Doppelseite Ende letzten Jahres seine „Millionen-Offensive für den Sport feiern“. Bouillon zeigt dort, wie er ganz groß einkauft: die Deutschland-Rallye als Weltmeisterschaftslauf, die Deutschland-Tour, eine Tischtennis-Show im Merziger Zeltpalast, das Trofeo-Radrennen im Bliesgau; die Tour de France steckt dem Radsporfan Bouillon noch in der Nase. Und Bauminister Bouillon baut auch für den Sport, in Rehlingen und in seiner Heimatstadt St. Wendel Großhallen für 10 Millionen Euro. Bouillon lässt sich nicht aufhalten. Er nimmt das Geld aus der Landeskasse.

Der gekaufte Ruhm

Sportminister und Funktionäre wissen um die Zugkraft von spektakulären Veranstaltungen mit Spitzensportlern auf die Massen und schätzen die Werbewirkung vor allem in Wahlkampfzeiten.  Mangels saarländischer Top-Athleten schmücken sie sich mit fremdem Ruhm von außerhalb, mit gekauften Stars, und sei es – wie bei der Deutschlandrallye – nur für ein Wochenende. Sportminister Bouillon hat seinen Sportetat in den letzten Jahren systematisch erhöht. Und wenn – wie vor der Landtagswahl 2017 – offiziell im Haushalt kein Geld für „besondere sportliche Veranstaltungen mit überregionalem Stellenwert“ ausgewiesen ist, holt sich Bouillon schon mal 100.000 Euro aus einem Topf, der eigentlich für Auszeichnungen von Ehrenamtlichen vorgesehen war. Die Landtagsabgeordneten, für die Verabschiedung des Haushalts und die Kontrolle verantwortlich, schauen weg. Standen 2010 noch 70.000 Euro im Haushaltsplan der damaligen Sportministerin Monika Bachmann, so sind es 2018 zehnmal mehr, mehr als 700.000 Euro. Davon will Bouillon allein für große Sportspektakel 520.000 Euro für werbewirksame und zugkräftige Spiele ausgeben.

Millionen für „Saarländer auf Zeit“

Mit seinem Sport-Etat im Ministerium kann Bouillon keine großen Sprünge machen. Um Top-Events und Athleten ins Saarland zu holen, haben die Saartoto-Gesellschafter Annegret-Kramp-Karrenbauer und Landtags- und Sportverbands-Präsident Meiser ein Jahr vor der Landtagswahl einen „Verstärkungsfonds“ erfunden. Saartoto lässt daraus seit 2016 jährlich 250.000 Euro springen, für „Anliegen und Projekte“ – die Formulierung klingt schon nach Blankoschecks nach Belieben. LSVS-Meiser hat einen Großteil davon in den Kauf des Tischtennis-Stars Franziska durch den 1. FC Saarbrücken und Groß-Veranstaltungen gesteckt, wie Saarlandinside Anfang Februar aufgedeckt hat. Saarlandinside hat bei Sportminister Bouillon angefragt, ob auch er Zugriff auf den Meiserschen Verstärkungsfonds hatte – Keine Antwort, kein Dementi.
In ähnlicher Größenordnung wie der Verstärkungsfonds ist auch die Sportstiftung Saar beim Sponsoring dabei. Dort beraten in den vier Gremien Vorstand, Stiftungsrat, Kuratorium und Vergabeausschuss insgesamt 48 (!) Personen, überwiegend Politiker, welchem Athleten sie wieviel aus ihrer jährlichen Verfügungsmasse von 200 bis 250.000 Euro zukommen lassen.

Stars für kurze Gastspiele

Der gekaufte Ruhm hält nicht lange vor, wie die Fluktuation der letzten Jahre unter den saarländischen Gast-Athleten zeigt. Die Weitspringerin Sosthene Moguenara und Marcel Kirstges, Zehnkämpfer Luca Wieland suchten sich nach kurzem Gastspiel attraktive Vereine außerhalb des Saarlandes. Die Schwimmer Christoph Fildebrandt, Celine Rieder, Henning Mühlleitner und Marlene Hüther wanderten mit Trainer Hannes Vitense aus. Der angestrebte Stützpunkt Schwimmen fiel damit ins Wasser. Auch der Stützpunkt Rudern – ein Schlag ins Wasser. „Wir haben keine Aushängeschilder“, klagte Bouillon am Rande der Sportministerkonferenz im November letzten Jahres. Das Saarland kann Top-Athleten nicht die idealen Rahmenbedingungen bieten, darauf deuten die Statements der abgewanderten hin.

Bouillon handelt an den Verbänden vorbei

Gleichwohl, der Sportminister gibt weiter Vollgas. Dabei überholt er bisweilen in seinem Aktionismus auch die, mit denen er eigentlich kooperieren sollte, die saarländischen Sportfachverbände. Diese erfahren von ihren eigenen Top-Events oft erst im Nachhinein aus der Presse, rüffelte die Saarbrücker Zeitung den Selbstdarsteller Bouillon. Ein weiterer gewichtiger Beleg dafür, dass es Bouillon gar nicht um die Verbände und die heimischen Sportler geht, sondern um inszeniertes Spektakel der Politik. Um Brot und Spiele im Haushaltsnotlageland Saarland.

Lokale Bindung der Sport-Fans wird geringer

Sicher: Spitzensport gehört zum Breitensport. Idole und Helden geben der Jugend Orientierung für eigene Lebensentwürfe, motivieren und beeinflussen Wertemuster. Diese Wertemuster sind aber im Wandel begriffen. Denn: „Idole sind heute global“, sieht Adidas-Chef Kasper Rorsted den Trend in der Fan-Szene. Dank Digitalisierung und Smartphone können sie ihre Idole bei allen wichtigen Sportereignissen der Welt live miterleben. Lokale und regional Bindungen der Fans verlieren an Bedeutung. Die Politik im Saarland hängt dennoch am lokalen Event, dafür werden die fehlenden heimischen Stars durch Importe ersetzt. Aus einem einzigen Grund: Mit Jan Frodeno, Laura Müller, Pauline Schäfer oder Patrick Franziska fällt immer auch ein Glanz auf die danebenstehenden, die Gehaltszahlungen organisieren. Die Sportgrößen bedanken sich artig mit Präsenz bei Foto-Terminen.