SR: Musikgeplätscher oder journalistischer Tiefgang?

Der SR hat Schwächen in seinem gesetzlichen Informations- und Bildungsauftrag. Dies ist keine Frage des Geldes, wie der Kleinst-Sender Bremen beweist. Und journalistisches Potenzial für ein vollwertiges Programm hat der SR auch.


Mein Land. Mein Sender. Mein Schiff: Soll der Rundfunkbeitragszahler Kreuzfahrten sponsern?

ARD-eigene Statistik laut Rundfunkrat-Chef „Äpfel und Birnen“
„SR mit niedrigstem Anteil an Wortsendungen aller ARD-Anstalten“ hatte Saarlandinside.de berichtet und am 7. Juli bei den 39 Mitgliedern des SR-Rundfunkrats nach Erklärungen nachgefragt. Rundfunkrat-Chef Wolfgang Krause zog in einem Rundbrief die Notbremse. Die von der ARD erstellte Auswertung über die Informationsqualitäten ihrer Sender sei ein „Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen“, so stellt der Rundfunkratsvorsitzende des kleinsten Senders apodiktisch die Analysestandards der ARD infrage. Der SR könne sich nun mal keine Wort- oder Infowelle leisten. Und Kommunikationschef Peter Meyer setzt noch eins drauf: Weil der SR auf eine Informationswelle verzichte, stünde ihm eigentlich noch ein statistischer Bonus zu. Da soll ein Mangel gar zur Tugend erhoben werden.


Vorausschauende Mahner sahen die Misere schon vor 15 Jahren kommen.

Alle anderen ARD-Sender auch ohne Info-Wellen informativer
Diese SR-Erklärung mit „Äpfeln und Birnen“ ist zwar geeignet, die RR-Mitglieder zu beschwichtigen, sie lässt sich aber leicht widerlegen. Mit der aktuellen ARD-Hörfunkstatistik: Ohne Info-, Musik- und Kulturwellen senden außer MDR und SWR alle ARD-Sender einen deutlich höheren Wortanteil. Auch die Anstalten, die Rund-um-die-Uhr-Dudelwellen laufen lassen, halten sich immer auch mindestens eine Welle mit Tiefgang (Siehe Grafik unten: „Die ARD-Sender und ihr gesetzlicher Auftrag“). Sogar der Kleinst-Sender Radio Bremen sendet mit Bremen1 und 2 bis zu 70 Prozent Wortanteil. Soviel bietet der SR bei weitem nicht. Im Gegenteil: Er ist auch noch zu 20 Prozent am seicht-lärmenden Privatsender Radio Salü beteiligt, den er öffentlich eigentlich als Konkurrenten um Marktanteile vorgibt.

„Damit sollte die Angelegenheit auch für Sie erledigt sein“!
Um eine Diskussion über die von Saarlandinside.de veröffentlichten Fakten von vorneherein zu unterbinden, schloss Vorsitzender Krause seinen Eilbrief an die Mitglieder: „Damit sollte die Angelegenheit auch für Sie erledigt sein.“ Breitbeinige Selbstgefälligkeit und „Basta“-Gehabe eines saarländischen Multi-Funktionärs angesichts der für öffentlich-rechtliches Radio immer wichtigeren Aufgabe von Einordnung und Orientierung für seine Hörer. Am schlechten Abschneiden des SR in der ARD-Statistik ändern die Erklärungsversuche indes keinen Deut, wie die detaillierte ARD-Statistik ausweist.

Der Rundfunkrat in der Pflicht der Bürger
Dass der SR mit seinen Programmangeboten „zur Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung“ einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung“ leistet und so zu einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen beiträgt, wie es Grundgesetz und Rundfunkstaatsvertrag verlangen, dafür haben eigentlich Rundfunkrat und Programmbeirat zu sorgen. Dort ist aber Qualitätsmanagement im SR-Hörfunkangebot kein Thema; zumindest in den letzten beiden Jahren erwähnen die Sitzungsprotokolle nichts, was darauf hindeuten würde.

Media Analysen: Bewertung gerade so wie es passt
Die SR-Führung hat auch nicht zum ersten Mal Probleme mit einer bundesweit anerkannten Analyse: Bei der Auswertung Radio I/2017 der Arbeitsgemeinschaft Media Analyse agma hatte SR1 einen Einbruch bei den Reichweiten von 20 Prozent zu verzeichnen. Intendant Kleist präsentierte im Rundfunkrat im April dieses Jahres eine schnelle Erklärung dafür: Die Media Analyse sei methodisch fragwürdig, erklärte Kleist kurzerhand. Als die nächste agma-Erhebung vier Monate später eine geringe Zunahme bei SR1 (plus 2.000 Hörer im Stundendurchschnitt) ermittelte, war dies wiederum Anlass genug zum Jubeln: „SR weiterhin Marktführer in der saarländischen Radiobranche.“ (Siehe Grafik: „Meistgehörte Radiosender im Saarland“).

40 Prozent der SR-Einnahmen durch ARD-Geber-Sender
Etwa 80 bis 90 Prozent ihres Finanzbedarfs decken die Öffentlich-rechtlichen aus dem Rundfunkbeitrag von Wohnungen, Betriebsstätten und Fahrzeugen aus dem jeweiligen Einzugsgebiet. Dem SR mit seinen gerade mal 450.000 Beitragszahlern bringt der Beitrag 66,5 Millionen Euro. Das reicht nicht einmal für die Personalkosten und Honorarzahlungen. Für die ARD-Notleider SR und Radio Bremen gibt’s deshalb Sonderhilfen im ARD-Finanzausgleich. 46 Millionen Euro extra kommen so von den Geber-Sendern BR, MDR, NDR, SWR und WDR ins Saarland. So halten umgerechnet 300.000 nicht-saarländische Beitragszahler den SR am Leben.

Die Kultur als Steinbruch für Einsparungen?
Ein gutes Rundfunkangebot ist auch eine Frage von unternehmerischen Prioritäten. Da hat Intendant Kleist einige Baustellen aufgemacht. Unter anderem will er am Klangkörper streichen. Die Deutsche Radiophilharmonie, zweifelsohne eines der renommiertesten deutschen Orchester, dürfte an die zehn Millionen Euro im Jahr kosten. Kleist steht vor der Frage: Überschreiten zum Beispiel Korea-Tourneen der Philharmonie die Möglichkeiten und Reichweiten des SR? Ungemach droht auch der Kulturwelle SR2, von der noch die meisten Informations- und Bildungsimpulse in die Region ausgehen.

Fazit: Rundfunk ist Ländersache. Gut, dass prosperierende Landessender den SR subventionieren. Guter Rundfunk ist aber keine Frage der Finanzen. Das kann man bei Radio Bremen hören. Die Bürger haben einen Anspruch auf bessere Programme: Der Gesetzesauftrag „Information, Bildung, Beratung, Kultur“ müsste und könnte ausgebaut werden. Das journalistische Potenzial und kompetentes Personal dazu hätten die SR-Macher. Ihre Stärken sind insbesondere die Wirtschaftsredaktion, in Teilen auch die regionale Berichterstattung, vor allem aber die Kulturwelle SR2.
Aber in den SR-Gremien haben auch diejenigen das Sagen, denen berufs- und machtbedingt nicht allzu viel an kritischen Wortbeiträgen, Hinterfragen von Zusammenhängen, Aufdecken von Schwachstellen gelegen ist: die Politiker und die ihren politischen Lagern zuzuordnenden Verbandsfunktionäre. „Mein Land. Mein Sender“, sagen sie. Die Saarländer sollen einfach nur gudd druff sein. Ein hoher Musikanteil ist da sehr hilfreich, inklusive öffentlicher Konzerte, After-Work-Shows, Après-Ski-Partys in den Alpen, Dirndl-Kult auf der Alm und Kreuzfahrten im Mittelmeer. Ist das die saarländische Identität, die zu stärken der SR zu seinem Programm-Ziel erhoben hat? (Wird fortgesetzt)

Quellen:
SR: Zahlen, Daten, Fakten 2017
Protokolle der Rundfunkratssitzungen 2016 bis 2017
Halbjahresberichte des SR-Verwaltungsrats
agma: Media Analysen Radio 2016 und 2017
Verband privater Rundfunk- und Telemedien