Teurer Strom frisst Essensgeld für sechs Wochen auf

Die Saarländer zahlen die höchsten Energiepreise. Darunter leiden vor allem und immer stärker die 90.000 einkommensschwachen Familien im Land. Die Stromkosten eines Hartz-IV-Beziehers sind weit höher als die Ämter nach Regelsatz zahlen. Die Energiewende wendet sich gegen die Schwachen. Ist das noch sozial?

Ich besuche Elisabeth Walter in Dudweiler. Die 70jährige sitzt am Wohnzimmerfenster. Sie freut sich über den blauen Himmel über dem kahlen Wald hinter ihrem Haus. Ihrem Mann und ihr haben die Spaziergänge dort „immer Freude gemacht“, sagt sie. Geld hatten sie nie viel. Mit der kargen Rente kamen sie gerade so aus. Ihren Mann hat sie vor sechs Jahren beerdigt, seitdem lebt sie von 435 Euro im Monat. Frau Walter spart. „Ich gehe oft zu meiner Tochter essen, wenn sie nicht auf der Arbeit ist.“ Sie hat die meisten Heizkörper abgedreht, die Kosten um 30 Euro im Monat drücken können. Im Zimmer sind es vielleicht 15, 16 Grad. Am Wohnzimmerfenster sitzt sie, eine Wolldecke um die Schultern, ihr Blick scheint auf den nahen Wald zu gehen. Mit der Stromrechnung war sie mal im Rückstand, erzählt sie. Die Stadtwerke drohten mit Stromsperre. Ihre Tochter, damals alleinerziehend und arbeitslos, half ihr aus der Mittellosigkeit.


Katastrophe nach einer Stromsperre: Hinter diesen Fenstern eines Hauses in Burbach verbrannten im August 2012 vier Kinder. Sie hatten mit einer Kerze Licht machen wollen. Foto: Beckerundbredel

Runder Tisch Stromsperre entlastet die Energieversorger
Fälle wie den von Frau Walter führt Wolfgang Edlinger, Vorsitzender der Armutskonferenz im Saarland, am Runden Tisch „Vermeidung von Stromsperren in einkommensschwachen Haushalten“ immer an. In dem Gremium bei Verbraucherminister Reinhold Jost beraten 20 Vertreter der Sozialverbände und Energieversorger, wie sie Stromsperren bei Einkommensschwachen vermeiden helfen. Die jahrelange Beratung hat nicht viel gebracht. Die Stromschulden ihrer Hartz-IV-Kunden übernimmt im Einzelfall die Arbeitsagentur. Den Betroffenen bringt das nichts. Den Kredit zieht ihnen die Arbeitsagentur von der Sozialhilfe ab. Die Versorger sind fein raus, sie behalten die Kunden, das finanzielle Risiko lästiger Schlechtzahler haben sie aber vom Hals. Viel mehr hat der Runde Tisch im Verbraucherschutzministerium nicht zustande gebracht.

Saarländische Energieversorger langen kräftig zu
Eine Ursache für teuren Strom sind die Erneuerbare-Energien-Umlage und steigende Steuern. Im Saarland kommt hinzu, dass der Strom der regionalen Versorger bis zu 40 Prozent teurer ist als bei den billigsten deutschen Anbietern. Dies hatte Saarlandinside mithilfe der Vergleichsportale Verivox und Check24 im Dezember letzten Jahres ermittelt. Entsprechend größer ist der finanzielle Druck auf einkommensschwache Haushalte.

Energiekosten vom Mund absparen
Unterm Strich: Was ein Hartz-IV-Bezieher bei Energie Saarlorlux oder Energis für Strom mehr zahlt, muss er sich fünf bis sechs Wochen lang vom Mund absparen. Besonders hart trifft die Energiepreispolitik Alleinerziehende. Hier kostet der saarländische Teuer-Strom für eine Mutter und ihr zehnjähriges Kind 345 Euro mehr als bei der Konkurrenz. Das entspricht den amtlich festgesetzten Ausgaben für Essen und Trinken für 40 Tage. Sie könnten auch zwei Jahre auf den Besuch von Sport- und Kulturveranstaltungen verzichten. So viel Lebensqualität kann überteuerter Strom zunichtemachen. Armutsbedrohte Familien müssen im Gegensatz zu Hartz-IV-Beziehern die  Heizkosten selbst zahlen. Auch sie sind von den Energieanbietern gebeutelt, in Völklingen ist das Gas in unserem Vergleichfall doppelt so teuer wie bei außersaarländischer Konkurrenz.

Frau Walter geht nicht zum Sozialamt
Frau Walter hat resigniert, für sie ist die Welt zu kompliziert geworden. Um öffentliche Hilfe betteln, nein, das auf gar keinen Fall. Sie hat Angst, sie müsse ihr Haus dem Staat abliefern, was nicht stimmt.  Sie sei ein Leben lang klar gekommen, dann müsse ihre Rente „auch die paar Jahre, die ich noch habe, langen.“ Zum Sozialamt gehe sie nicht. Sie schämt sich. Frau Walter heißt in Wirklichkeit auch anders. (wird fortgesetzt)

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