Trotz Tariftreuegesetz keine korrekte Entlohnung

Busfahrer privater Unternehmen im öffentlichen Linienverkehr werden anscheinend auch sieben Jahre nach dem Wirksamwerden des Tariftreuegesetzes noch nicht korrekt entlohnt. Eine unrühmliche Rolle spielen dabei aber auch schlecht verhandelte Tarifverträge mit Regelungslücken.

Busfahrer klagen über unkorrekte Lohnabrechnungen

Einzelne private Busunternehmer im Saarland unterlaufen nach allem Anschein im öffentlichen Nahverkehr das saarländische Tariftreuegesetz, indem sie den 2019 mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi abgeschlossenen Tarifvertrag intransparent und zum Nachteil der Arbeitnehmer umsetzen. Hauptkritikpunkt von Verdi und den Fahrern ist, dass in diesen Unternehmen die Lohn- und Zeitabrechnungen so undurchsichtig sind, dass der Verdacht von Schummelei nicht von der Hand zu weisen ist. Knackpunkte seien Pausen sowie die Zeiten für Vor- und Nachbereitung, sagt Verdi-Sekretär Christian Umlauf.

Mitarbeiter um Teile des Lohns geprellt

Mit den Schummeleien prellen diese Unternehmer ihre Mitarbeiter nicht nur um Teile des Arbeitsentgelts, sondern verschaffen sich auch ungerechtfertigte Vorteile im Wettbewerb. Die Kontrolle durch die Prüfbehörde für das Tariftreuegesetz stößt in solchen Fällen an Grenzen, weil sie die Unterlagen der Unternehmen nicht tief genug prüfen darf.

Verdi: Verdacht auf Manipulation zulasten der Fahrer

Ein Fahrer, der anonym bleiben wollte, erläuterte gegenüber Saarlandinside, dass bei der Lohn- und Zeitabrechnung lediglich Beginn und Ende der Schicht unstrittig sind. Schon bei der tatsächlichen Arbeitszeit sei nicht nachzuvollziehen, wie der Arbeitgeber sie ermittelt hat. Einfallstor für Mauscheleien sind die Pausenzeiten, die im Busgewerbe in mehreren Formen auftreten: Zum einen gibt es vom Arbeitsgesetz vorgeschriebene Pausen, die nicht vergütet werden müssen. Zum anderen schreibt das Fahrpersonalgesetz Lenkzeitpausen vor, die mit den Pausen des Arbeitszeitgesetzes zum Teil deckungsgleich ausfallen können, aber nicht müssen. Hinzu kommen dienst- und fahrplanbedingte Pausen, die laut Manteltarifvertrag im Grundsatz als Arbeitszeit zu vergüten sind. Auf einer Lohnabrechnung, die Saarlandinside einsehen konnte, wurde zwar pauschal die Pause gemäß Arbeitszeitgesetz und eine unbezahlte Pausenzeit ausgewiesen; damit war aber die Differenz zwischen Schicht- und Arbeitszeit nicht geschlossen.

Auch Verdi-Sekretär Umlauf bestätigte, dass alle Versuche der Gewerkschaft, die vom Arbeitgeber errechnete Arbeitszeit zu rekonstruieren, den Verdacht bestätigen, sie sei zu Lasten des Arbeitnehmers manipuliert worden.

Teile der faktischen Arbeitszeit werden nicht vergütet

Der Fahrer bemängelte ferner, dass die Vor- und Nachbereitungszeiten viel zu knapp kalkuliert seien. Für die gesetzlich vorgeschriebene technische Kontrolle des Busses vor der Abfahrt aus dem Depot seien zum Beispiel rund 15 Minuten nötig. Als Arbeitszeit angerechnet würden aber lediglich drei Minuten. „Das klingt nicht gut“, sagte stirnrunzelnd ein Mitarbeiter der für die Unfallverhütung zuständigen Berufsgenossenschaft Verkehr (BG Verkehr). Die Berufsgenossenschaft empfiehlt, schon beim Beginn der Kontrolle vor der Abfahrt den digitalen Tachografen (früher „Fahrtenschreiber“) auf „Arbeitszeit“ zu stellen – so gerät der Fahrer bei einer Kontrolle nicht unter Verdacht, er habe die Abfahrtskontrolle unterlassen. Dieser Logik entsprechend müssten also Abfahrtskontrolle und Durchsicht des Fahrzeugs nach der Rückkehr ins Depot voll als Arbeitszeit angerechnet werden. In anderen privaten Busunternehmen werden nach Informationen von Saarlandinside immerhin zehn Minuten angerechnet.

Wie der Fahrer weiter schilderte, müsse der Bus mindestens einmal wöchentlich gewaschen und innen gründlich gereinigt werden. Dafür seien rund 30 Minuten nötig, die aber überhaupt nicht vergütet werden. Der Fahrer beklagt, dass er über das Jahr gerechnet allein dafür rund 20 – 25 Stunden unbezahlte Arbeit leisten würde.

Regelungslücken im Tarifvertrag spielen Arbeitgebern in die Hände

Verdi ist in diesem Zusammenhang allerdings eine Mitschuld vorzuhalten: Der Manteltarifvertrag enthält keine Regelung, wie mit den Zeiten für technische Kontrollen und Fahrzeugpflege umzugehen ist. Dabei hätte ein Blick über die Landesgrenzen nach Baden-Württemberg genügt, um zu sehen, wie man es besser machen kann: Im Manteltarifvertrag von Verdi mit dem privaten Busverband WBO ist festgehalten, dass „Vor-, Abschluss- und Pflegearbeiten“ sowie „Reparatur- und Werkstattarbeiten“ mit 100 Prozent des Stundenlohns zu vergüten sind.

Arbeitszeitkonten werden nicht vorgelegt

Auch bei den Arbeitszeitkonten vermisst der Fahrer Transparenz. Eine monatliche Aufstellung über den aktuellen Stand gebe es nicht. Erst jüngst sei ihm nach zweiwöchiger Krankschreibung ohne nähere Aufschlüsselung mitgeteilt worden, dass sein Arbeitszeitkonto von einem satten Plus wieder ins Minus gerutscht sei. Überstundenvergütungen machen aber bei Busfahrern oft einen wesentlichen Teil des Monatseinkommens aus. Im baden-württembergischen Manteltarifvertrag haben Verdi und WBO genau geregelt, wie Arbeitszeitkonten zu führen sind. Im saarländischen Tarifvertrag wird dieses Thema nicht weiter geregelt.

Darauf angesprochen, erläuterte Verdi-Sekretär Umlauf, es habe elf Jahre keinen Verdi-Tarifvertrag mit dem LVS gegeben, „von daher konnten wir nicht alles von 0 auf 100 setzen“. Im übrigen sei der baden-württembergische Tarifvertrag immer der beste in Deutschland, „aber wir arbeiten daran.“ Ab Ende 2021 könne ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen werden.

Dem Tariftreuegesetz fehlen Zähne

Die Prüfbehörde für das Tariftreuegesetz ist in diesem Fall übrigens machtlos. Sie darf nur formal prüfen, ob Lohn entsprechend der vom Arbeitgeber ausgewiesenen Arbeitszeit gezahlt wird. Gegen Mauscheleien bei der Arbeitszeitberechnung ist sie machtlos – erst recht, wenn der Tarifvertrag wie im vorliegenden Fall massive Regelungslücken aufweist. Verdi-Sekretär Umlauf will aber nicht aufgeben: Zusätzlich zur Prüfbehörde soll nun auch das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz ins Boot geholt werden. Dann könne hoffentlich bald tiefer geprüft werden.

Verstöße gegen Tarifverträge scheinen im Übrigen nichts Neues im saarländischen privaten Busgewerbe zu sein. Selbst die als arbeitgeberfreundlich geltende christliche Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) war davon betroffen: 2015 unterstützte sie Klagen gegen einzelne Busunternehmer, weil Urlaubsgelder unvollständig ausgezahlt und durch Arbeit ausgefüllte Lenkpausen nicht entgolten wurden. Außerdem seien Fahrpläne so eng gestrickt gewesen, dass die Fahrer theoretisch vorgesehene Pausen in der Praxis nicht nehmen konnten. In einem Fall habe der Arbeitnehmer die Klage zurückgezogen, in einem anderen Fall sei ein Vergleich abgeschlossen worden.