Wie Kohlpharma und Co. mit Unterstützung von Wirtschaftsminister Altmaier abkassieren

Foto: Apotheke Adhoc / Andreas Domma
Lobbyismus. Bundeswirtschaftsminister Altmaier lässt ein Arzneimittelimport-Gesetz nach dem Vorschlag der saarländischen Kohlpharma formulieren. Er verschafft damit dem Unternehmen aus seinem Wahlkreis und der gesamten Branche glänzende Geschäfte. Die Politik freut sich mit.

Die Merziger Kohlpharma AG ist mit einem Jahresumsatz von rund 660 Millionen Euro der größte Arzneimittelimporteur Deutschlands. Die Branche macht ihr Geld damit, Arznei billig im Ausland einzukaufen, in deutsche Packungen zu stecken und hierzulande über Apotheken deutlich teurer auf den Markt zu bringen. Kalkulationsbeispiel: Wenn das gleiche Medikament in Deutschland 1000 Euro kostet und in Spanien nur 500 Euro, kauft es der Importeur dort ein und bringt es in Deutschland für 950 Euro (Vorschrift: fünf Prozent unter dem deutschen Preis) auf den Markt. Der Umsatz ist gesichert, denn die Apotheken sind sogar gesetzlich gezwungen, einen bestimmten Teil ihres Umsatzes mit diesen Importmedikamenten zu machen.

Arzneimittelimport-Quote sollte aufgrund schlechter Erfahrungen abgeschafft werden

Diese gesetzliche Importquote hat den Krankenkassen über die Jahre wenig Einsparungen gebracht, aber hohe Bürokratiekosten verursacht. Deshalb fordert der Bundesrat 2018 eine Gesetzesänderung, mit einer einzigen Gegenstimme: der des Saarlandes. Dennoch wollten Ärzte, Apotheken, die AOK und Patientenverbände Anfang 2019 die Importe zurückdrängen. Das Bundesgesundheitsministerium legt darum einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor.

Kohlpharma nimmt über Altmaier Einfluss auf Arzneiimport-Regelung  

Da wurde die Arzneimittel-Lobby hellwach: Am Morgen des 11. Januar 2019 will Kohlpharma-Geschäftsführer Jörg Geller Schlimmeres verhindern. Er schickt dem Bundeswirtschaftsminister eine Mail. Es geht um besagte Gesetzesänderung; sie ist schlecht für die Geschäfte seines Unternehmens. Deswegen hat er dem Minister gleich vorformuliert, wie das Gesetz nach seinen Vorstellungen geändert werden sollte. „Gerne würde ich darüber kurz mit Ihnen telefonieren.“

E-Mail an Altmaier vom 11. Januar 2019 (Ausriss)

Ob Altmaier dem Gesprächswunsch des Lobbyisten nachkommt, ist den Ministeriumsunterlagen selbst nicht zu entnehmen – dafür aber einem frei zugänglichen Dokument: In einer Antwort auf eine Linken-Anfrage bestätigt die Bundesregierung mehrere, nicht genauer datierte „Telefonate“ im Januar 2019 zwischen Altmaier und dem Geschäftsführer von Kohlpharma, Jörg Geller.

Den Textvorschlag von Kohlpharma bewerten Altmaiers Fachleute allerdings kritisch. Nach Einschätzung seines Abteilungsleiters für Gesundheitswirtschaft „scheint [dieser] nicht tragfähig zu sein. Er geht weit hinter den Gesetzentwurf des BMG [Gesundheitsministerium] zurück und hinter die Position der Bundesländer.“

Altmaier bringt Kohlpharmas Text-Vorschlag wortgleich ins Gesetz

Die Dokumente zeigen, dass sich Altmaier Mitte Januar dennoch persönlich bei seinem Kabinettskollegen Jens Spahn (CDU) für die Import-Branche einsetzt. Wenige Tage später ist die Abschaffung der Importquote vom Tisch. Auch der Inhalt der Einigung mit Spahn wird aufgeführt: Es ist exakt die Regelung, die Kohlpharma in seiner Mail vom 11. Januar an Altmaier vorgeschlagen hatte .

Die Fachleute im Spahn-Ministerium empfehlen die Importregelung deutlich einzuschränken. Doch Wirtschaftsminister Altmaier macht das Thema zur Chefsache. In einer internen Vorlage vom 10. Dezember an seine zuständige Staatssekretärin ist das Wort „Zustimmung“ mit rotem Stift durchgestrichen. Darunter findet sich eine handschriftliche Ergänzung: „Leitungsvorbehalt“.

Persönliche Verbindungen zwischen Altmaier und Kohl

Dass sich der Wirtschaftsminister persönlich eingeschaltet hat und die Differenzen sogar auf höchster Ebene mit seinem Kollegen Spahn ausräumt, kommt nicht von ungefähr. Kohlpharma ist nicht nur ein wichtiges Unternehmen in Altmaiers Bundestagswahlkreis. Es bestehen langjährige Verbindungen zwischen Altmaier, der CDU und dem Hause Kohl. Wenn der CDU-Ortsverband Merzig zu seinem traditionellen Neujahrsempfang einlädt, findet dieser auch schon mal in der Firmenzentrale von Kohlpharma statt. So wie im Januar 2017, als sich auch Altmaier, damals noch Chef des Bundeskanzleramtes, dort angesagt hatte.

Im Saarland geboren, bin ich nach Studium und erster Berufserfahrung 1979 ins Saarland zurückgekehrt, um mein Unternehmen zu gründen. Den saarländischen „Strukturen“ verdanke ich viel.

Edwin Kohl, Vorsitzender des Vorstandes der Kohl Medical AG und “Saarlandbotschafter”

Auch privat taucht Altmaier als Ehrengast bei Events von Prof. Edwin Kohl und seiner Frau Arlette Jasper-Kohl auf deren exklusiven Reitstall „Gestüt Peterhof“ in Perl auf. Politisch fördert Altmaier ebenfalls Kohl, z.B. als Unterstützer für den von Kohl entwickelten Timbertower, einen 100 Meter hohen Holzturm für Windräder, bei der Inbetriebnahme 2012 in Hannover.

Fazit: Welche Interessen hat Altmaier?

Wenn ein Bundesminister es schafft, ein Gesetz des Fachministers Spahn gegen den Fachverstand des gesamten Gesundheitswesens und gegen den Willen des Bundesrats an entscheidender Stelle anzupassen, müssen starke Interessen im Spiel sein. Nicht nur für die profitierenden Unternehmen, auch für die Politik-Akteure in Berlin und im Saarland.

Im Fall Altmaier drängt sich die Frage nach der Gewaltenteilung auf: Inwieweit nutzt hier ein Politiker sein Regierungsamt für etwas, von dem er als Wahlkreisabgeordneter profitiert?

Saarlandinside hat in Bundestagsunterlagen recherchiert, ob Unternehmen der Arzneiimport-Branche Spenden an Parteien überwiesen haben. Vorläufiges Ergebnis: Die Rechenschaftsberichte sind nur bis zum Jahr 2019 zugänglich. Darüber hinaus müssen erst ab einem Betrag von 10.000 Euro die Spender namentlich genannt werden. Bei Spenden von unter 10.000 Euro bleiben die Spender für die Öffentlichkeit anonym.

Info: Importquote für Apotheken

Apotheken müssen Arzneimittel aus dem Ausland verkaufen, wenn diese entsprechend billiger sind – und zwar in folgenden Abstufungen: Bei Arzneimitteln
⇒ bis 100 Euro: mind. 15 Prozent billiger
⇒ zwischen 100 und 300 Euro: 15 Euro billiger
⇒ ab 300 Euro: 5 Prozent billiger.
Diese Regelung hatte das Importunternehmen Kohlpharma in einer Mail vom 11. Januar an Wirtschaftsminister Altmaier vorgeschlagen. Im Juni wurde der Gesetzentwurf beschlossen.  Bis zu der Gesetzesänderung mussten Apotheken lediglich prüfen, ob ein Medikament aus dem Ausland 15 Prozent oder 15 Euro billiger war.

Zu diesem Bericht: Der Rechercheverbund von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR hatte zuerst aus den Dokumenten zitiert, abgeordnetenwatch.de veröffentlichte die Akte, die der BLOG über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erhalten hat. Saarlandinside verwendet Teile des Berichts von abgeordnetenwatch.de und die Quellen. Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

Quellen:
Akte aus dem Bundeswirtschaftsministerium als pdf – 
Teil 1 | Teil 2
Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke
www.abgeordnetenwatch.de
Saarbrücker Zeitung vom 9.1.2017
Wirtschaftswoche vom 31.10.2018: MEDIKAMENTENHANDEL „Mafia im Gesundheitswesen“ (paywall)
Trierischer Volksfreund vom 15.7.2013: Self-Made-Millionär mit Kunstverstand

Lesen Sie zu diesem Thema den Saarlandinside-Beitrag:
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