Alternative Fakten: „Traumergebnis“ für „Qualitätsjournalisten”

Alternativer Fakt I: Die 98,87 % von Kramp-Karrenbauer bei der Wahl zur Generalsekretärin der CDU
„AKK kriegt 98,87 Prozent. Ein Traumergebnis. Ein Rekord“. Die Saarbrücker Zeitung kriegte sich für ihre Leser nicht mehr ein. Und der SR behauptet sogar: „Von den rund 1.000 Delegierten in Berlin haben für Annegret Kramp-Karrenbauer knapp 98,87 Prozent als neue Generalsekretärin gestimmt.“ Die Botschaft: Fast der komplette CDU-Parteitag habe die Heilsbringerin aus dem Saarland geradezu herbeigesehnt. Falsch!
Tatsache ist: Es waren wohl weniger als 80 % Zustimmung. Die Erklärung: Bei der CDU fallen Stimmenthaltungen bei der Auszählung unter den Tisch (§12 Geschäftsordnung). Zum Nachrechnen: Von 1000 Delegierten haben schließlich 785 für AKK gestimmt.

Alternativer Fakt II: Kramp-Karrenbauer verzichtet auf Übergangsgelder
Partei-Karrieristin Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Ikone der Bescheidenheit und Genügsamkeit? Sie verzichtet auf etwa 160.000 Euro Übergangsgeld, das ausscheidenden Mitgliedern der Landesregierung bis zu zwei Jahre zusteht. Die simple Botschaft von SZ, SR und BILD: Unsere Ministerpräsidentin ist eine Gutmenschin.

Die Idee des Übergangsgeldes: Es soll ehemalige Regierungsmitglieder wirtschaftlich absichern, weil die Ausübung eines Ministeramtes einen notwendig vorübergehenden Einschnitt in das Berufsleben darstellen könne (Bundesverwaltungsgericht). Bei einem Ausscheiden aus dem politischen Amt sollen sie für eine Übergangszeit finanziell abgesichert sein.

Kramp-Karrenbauer scheidet aber nicht aus, sie klettert weiter auf der Karriereleiter als Generalsekretärin der CDU nach oben. Hätte Kramp-Karrenbauer das Übergangsgeld kassiert, käme dies einer  Überversorgung gleich. Medial wird das zurechtgedreht. Aus Verzicht auf Bereicherung wird so eine Tugend.

Lesenswert: Fürs Grobe zuständig. Die Süddeutsche Zeitung über die künftigen Aufgaben von Kramp-Karrenbauer 

Alternativer Fakt III: 500 Millionen Euro mehr Bundeshilfe für das Saarland
Der SPIEGEL, ehedem das Magazin mit verlässlicher Fakten-Sorgfalt, porträtiert Tobias Hans (Ausgabe 24.2.). Der SPIEGEL preist dabei die Verdienste der scheidenden Regierungschefin: „Das Saarland, hochverschuldet, darf ab 2020 rund eine halbe Milliarde mehr erwarten.“ Eine Behauptung, die bereits im Landtagswahlkampf 2016/17 von den saarländischen Medien gehypt wurde; damit konnten sie das Image von Kramp-Karrenbauer als Saarland-Retterin in Szene setzen. Es hat funktioniert.

Nach der Wahl relativierten sich die Zahlen stark. Die Medien hatten unterschlagen, dass die bis 2019 fließenden 260 Millionen Euro Bundeshilfe wegfallen werden, bleiben also 240 Millionen Euro und davon müssen – Bedingung der Bundeshilfe – jährlich noch 80 Millionen in die Schuldentilgung fließen. Von den 500 Millionen bleibt also nicht einmal ein Drittel übrig.

Fazit: Die Grenze zwischen Politikern und Journalisten, die nach eigenem Anspruch die Politik kontrollieren wollen („Vierte Gewalt“), wird immer durchlässiger. Wer dabei wessen Geschäft betreibt, ist nicht immer erkennbar. Einzelne Journalisten wirken wie PR-Abteilungen der Landesregierung. Und die Landesregierung bedankt sich dann mit dem Lob „Qualitätsjournalismus“. Dieses Prädikat verwendete jedenfalls Annegret-Kramp-Karrenbauer als Argument für die in der Diskussion stehende Erhöhung der Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.