Die finanzielle Notlage des Saarlandes schädigt auch die medizinische Versorgung

Im Saarland sind Wirtschaftsleistung, Steuerkraft und Einkommensniveau schwach. Darunter leidet auch der Gesundheitssektor. Einige Kliniken fürchten das wirtschaftliche Aus. Für die Gesundheitsvorsorge haben Land, Städte und Gemeinden kaum Geld. Gesundheitsminister Magnus Jung wird dabei mit den Versäumnissen seiner Vorgängerin Bachmann konfrontiert. Saarlandinside Gesundheitsreport Teil VII.

Handzettel der Aktion „Das Saarland lebt gesund“ (Ausschnitt)

Die Saarländer sind die kränksten Westdeutschen. Sie haben bundesweit bei mehreren Krebserkrankungen die höchsten Raten. Der schlechte Gesundheitszustand hängt auch mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes zusammen.

Schwache Wirtschaftsleistung

Gradmesser für die Wirtschaftsleistung und den Wohlstand eines Landes ist das Bruttoinlandsprodukt (=BIP, der Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen). Im Vergleich zeigt sich, dass die Saarländer erheblich weniger Werte schaffen als die Bundesdeutschen. In den Landkreisen Saarlouis und Neunkirchen liegt das BIP pro Beschäftigten 20 Prozent unter Bundesniveau, im Saarpfalzkreis und im Regionalverband noch 10 Prozent darunter.

Niedrige Einkommen

Auch beim Einkommen liegt das Saarland ein gutes Stück unterm Schnitt. Der saarländische Beschäftigte hat 4.700 Euro im Jahr weniger in der Lohntüte als sein Bundeskollege, knapp 10 Prozent. Infolge Corona und Ukraine-Krieg hat das Saarland die höchsten Reallohnverluste in Deutschland (Statistische Ämter des Bundes und der Länder).

Die wirtschaftlich-soziale Armut im Land und den Kreisen hat Saarlandinside analysiert. Hier zum Beitrag.

Jedes Jahr fehlen Hunderte Millionen an Steuereinnahmen

Wo weniger geleistet, verdient und gekauft wird, sind die Steuer-Einnahmen auch geringer. Das Saarland und seine Kommunen hinken weit hinter der bundesdurchschnittlichen Steuerkraft hinterher. Wäre das Land mit seiner Steuerkraft auf Bundesniveau, würden es und seine Kommunen pro Jahr rund 600 Millionen Euro mehr einnehmen (Bundesministerium der Finanzen). Das Saarland hat mit fast 14 Milliarden Euro Schulden die mit Abstand höchste Pro-Kopf-Verschuldung der Flächenländer.

Städten und Gemeinden steht das Wasser bis zum Hals

Auch was das Land den Kommunen an Finanzhilfen zur Verfügung stellt, reicht bei weitem nicht aus. Die 52 Saar-Städte und Gemeinden haben deshalb 2022 laut „Report Kommunale Finanzen 2023“ der Bertelsmann Stiftung 180 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen.

Christoph Schreiner hat in der Saarbrücker Zeitung die ausweglose Lage der Saar-Kommunen beschrieben. (Gespräch mit Jörg Aumann, dem Neunkircher Oberbürgermeister und Präsidenten des Saarländischen Städte- und Gemeindetags).

Einige Kliniken von der Insolvenz bedroht

Unter den fatalen Rahmenbedingungen hat auch der Gesundheitssektor zu leiden. Die Saarländische Krankenhausgesellschaft SKG vertritt 19 Saar-Kliniken und spricht von einem „dramatischen Insolvenzrisiko“. Die Betriebskosten steigen deutlich. Seit vorletztem Jahr sei ein Defizit von 140 Millionen Euro aufgelaufen, sagt die SKG. Einige Krankenhäuser könnten darum in Konkurs geraten.

Die Landesregierung handelt nicht, so der SKG-Vorwurf. Sie nehme die „kalte Sanierung“ der saarländischen Kliniklandschaft in Kauf, das heißt Gesundschrumpfen der Kliniklandschaft durch Konkurse. Immerhin hat Gesundheitsminister Jung jetzt einen Experten-Rat eingerichtet. Der soll ihn bei der Krankenhausplanung beraten. Jungs Experten werden der SPD zugerechnet und sind schon seit Jahren in Rente. Ein Mediziner ist nicht darunter.

Kliniken im Saarland: Investitionsstau von 600 Millionen Euro

Ein weiteres Problem ist der Investitionsstau in den Kliniken. Dringend notwendige Bau- und Beschaffungsmaßnahmen würden 600 Millionen Euro kosten, beziffert Dr. Helmut Isringhaus, der gesundheitspolitische Sprecher der Saar-FDP den Handlungsbedarf. Die Landesregierung hat für den Doppelhaushalt 2024/25 gerade einmal 50 Millionen Euro vorgesehen. Die Finanz-Löcher stopfen die Kliniken, in dem sie beim Personal einsparen und in Reparatur- und Investitionsmaßnahmen umschichteten, sagt Isringhaus. Laut Gesundheitsminister Jung sollen das Klinikum Winterberg und die Caritas-Klinik in Saarbrücken jeweils 70 Millionen Euro Zuschuss für ihre geplanten Erweiterungen bekommen.

Wenig Geld der Kommunen für Gesundheitseinrichtungen

Auch bei der Gesundheitsversorgung in den Städten und Gemeinden reißt das permanente Leben im Defizit Schäden an der Gesundheits-Infrastruktur auf. Mancherorts reicht es nicht mal für das Notdürftigste. Der Saarländische Städte- und Gemeindetag gibt den Sanierungsstau bei Schulen, Schwimmbädern, Sporthallen und Straßen mit rund 3,8 Milliarden Euro an. Andererseits beklagen Gesundheitsexperten, dass immer weniger Kinder schwimmen lernen und in den Vereinen Sport treiben.

Wo die Städte und Gemeinden Verantwortung tragen

Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern ist das Anliegen der Kommunen. Sie agieren nah an den Menschen und gestalten deren Lebensumfeld. Im Sinne der Nachhaltigkeitstransformation der Agenda 2030 der Vereinten Nationen sollen die Städte und Gemeinden unter anderem
▪ hochwertige Gesundheitsdienste gewährleisten,
▪ Präventionsmaßnahmen organisieren,
▪ gegen krankmachende Umweltbelastung vorgehen,
▪ Drogen- und Alkoholmissbrauch reduzieren,
▪ übertragbare Krankheiten bekämpfen und den
▪ den Zugang zu Arzneimitteln und Impfstoffen sichern.

Das hohe Niveau der gesundheitlichen Versorgung der Saar-Krankenhäusern ist massiv gefährdet. Zur Sicherung wären dringend umfangreiche Reformen notwendig. Gesundheitsminister Jung schiebt Entscheidungen hinaus. Und ob sein aus Politikrentnern bestehender Expertenrat hierfür die Basis schafft, ist fraglich. Schon Ex-Gesundheitsministerin Bachmann ignorierte Empfehlungen der Gesundheitsexperten.

Ein neuer Expertenrat wäre eigentlich auch gar nicht notwendig, denn Vorschläge zur Verbesserung dieser Situation lagen der damaligen Gesundheitsministerin Bachmann (CDU) zum Entwurf des saarländischen Krankenhausgesetzes im Frühjahr 2018 auf dem Tisch. Darüber hatte Saarlandinside im Januar 2019 bereits berichtet. Die Empfehlungen von renommierten Gesundheitsexperten zur Bildung von fachlichen Schwerpunkten wurden jedoch ignoriert: Ein Projektbericht des Institutes for Health Care Business GmbH hatte zusammen mit dem RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung dem Saarland damals eindeutig empfohlen, Überkapazitäten und Doppelstrukturen, unter anderem in den Bereichen Kardiologie und Gefäßchirurgie, abzubauen.

Fazit: Zukunftsweisende Entscheidungen wurden versäumt

„Das RWI-Institut hat klare Handlungsfelder benannt und Verbesserungspotentiale aufgezeigt. Leider wurden im Rahmen der Krankenhausplanung und bei der Erstellung des Krankenhausplans 2018 bis 2025 im Saarland diese Potenziale nicht genutzt“ so sagte Leiter des saarländischen Landesverbandes des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) Martin Schneider schon 2018. „Mit dem Krankenhausplan hätte das Land die notwendigen Weichen für eine stärkere Konzentration und Zukunftsfähigkeit der Saarländischen Krankenhauslandschaft stellen können. Diese zukunftsweisenden Entscheidungen hat man mit dem nun vorliegenden Krankenhausplan versäumt.“

Die CDU-Politikerin Monika Bachmann kann man dafür nicht mehr in Verantwortung nehmen, denn sie wurde bei den Landtagswahlen im März 2022 abgewählt. Aber es macht sicher Sinn, dass sich der neue Gesundheitsminister bei der kommenden Effizienz-Reform der Krankenhauslandschaft mit den Empfehlungen der Experten aus dem Jahr 2018 noch einmal auseinandersetzt.

Quellen:

Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts; Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2022

Nachhaltigkeit und nachhaltige Gesundheitsförderung, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf der Grundlage der Finanzverfassung 2022; Bundesministerium für Finanzen. 3/2023

SDG-Portal: Wo stehen die Kommunen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit stehen

Kommunaler Finanzreport 2023 Finanzen als Voraussetzung und Hebel integrierter Nachhaltigkeitssteuerung

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