Ein fast todsicherer Betrug mit Scheintoten

Eine Sterbekasse mit Millionen-Vermögen und eine Familie, die sie beherrscht. Es geht um Betrug mit gefälschten Sterbeurkunden und um eine lasche Aufsichtsbehörde, die totschweigt. Der Fall kommt jetzt vor Gericht.

Mehr als 100.000 Euro abgezweigt

Der VSD, Versicherungsverein der MitarbeiterInnen der Stadtwerke Saarbrücken und des öffentlichen Dienstes im Saarland“. Seine 2.500 Mitglieder haben dort ein Vermögen von 4,7 Millionen Euro zusammengetragen. Die Versicherten wurden offenbar jahrelang betrogen. Der langjährige Schriftführer der Sterbekasse, Rudi D. aus Saarbrücken, hat aus dem Versicherungsvermögen mehr als 100.000 Euro für sich abgezweigt. So der Vorwurf der Anklage.

7.000 Euro pro Toten-Scheck

Seine Masche: Er hat Personen für die Sterbekasse angemeldet, die gar nicht existierten. Nach einigen Jahren meldete er die Schein-Mitglieder der Sterbekasse als verstorben und ließ sich für den entsprechenden Versicherungsanspruch, je Sterbefall im Einzelfall mehr als 7.000 €, einen Scheck ausstellen unter dem Vorwand, er würde diesen den Hinterbliebenen überbringen. Tatsächlich, so der Vorwurf, habe er die Schecks für sich eingelöst. Die notwendigen Sterbeurkunden soll er akribisch gefälscht haben.

Schaden auf 150.000 Euro geschätzt

Anfang 2017 kam der damalige Kassenwart dem Schriftführer Rudi D. auf die Schliche. Dieser war zwar offiziell nur Schriftführer, gerierte sich im Vorstand aber wie ein Geschäftsführer, so Zeugen. Der Kassenwart hatte mehrere dubiose Sterbefälle aufgedeckt. Für den Vorsitzenden des Vereins wurde die Lage plötzlich brisant: Statt den hartnäckig auf Aufklärenden drängenden Kassenwart zu unterstützen, kündigte er seinen Mini-Job, erteilte ihm Hausverbot. Im April kam es zu einer Razzia in den Räumlichkeiten des Vereins, der bei den Stadtwerken Saarbrücken ansässig ist. Der Kassenwart ließ immer noch nicht locker. Er legte der Mitglieder- und Vertreterversammlung im September eine schriftliche Zusammenfassung seiner Erkenntnisse vor: Der Schaden durch gefälschte Sterbeurkunden könne sich auf 150.000 Euro belaufen.

Interessenkonflikt zwischen Vater und Sohn?

Das pikante an der Sache: Der amtierende Vorsitzende der VSD-Sterbekasse, Helmut D. ist der Sohn des Angeklagten Rudi D. Er vertritt in diesem Fall nun die Interessen des Vereins gegen seinen eigenen Vater. Darin sieht die beim saarländischen Wirtschaftsministerium angesiedelte Aufsichtsbehörde für Versicherungen offensichtlich keinen Interessenkonflikt, denn sie beließ Helmut D. weiterhin im Amt. Angeblich wusste Helmut D., hauptberuflich leitender Angestellter bei den Stadtwerken Saarbrücken, von den langjährigen Betrügereien seines Vaters nichts. Dabei wäre es seine Aufgabe als Vorsitzender gewesen, die Korrektheit der finanziellen Vorgänge in der Sterbekasse zu kontrollieren. Er sagte kein Sterbenswörtchen. Sein Vater ist über 90 Jahre alt  und unheilbar erkrankt.

Behörden-Beauftragter schützt Vorstand

Nachdem die Vorgänge bei der Sterbekasse zu eskalieren drohten, bestellte das Wirtschaftsministerium einen Sonderbeauftragten zur Überwachung der Vorgänge bei der Sterbekasse. Anstatt den Kassenwart bei den Betrugs-Ermittlungen zu unterstützen, sprach der Sonderbeauftragte jedoch im April 2017 eine weitere fristlose Kündigung gegen den Kassenwart aus, nachdem dieser der ersten fristlosen Kündigung widersprochen hatte. Offensichtlich soll die Affäre totgeschwiegen werden.

Familienbande im Vorstand

Noch beachtlicher: Der Sonderbeauftragte nahm laut einem Bericht der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) im Oktober 2018 auch keinen Anstoß daran, dass im Jahr 2016 gar keine rechtlich verbindliche Kassenprüfung bei der Sterbekasse durchgeführt wurde. Dies erscheint noch fragwürdiger vor dem Hintergrund, dass die gesamte Verein mehr oder minder eine Familienveranstaltung der Familie D. war. Für die Buchhaltung war die Schwester des Vorsitzenden Helmut D. zuständig. Auch deren Tochter, die Enkelin des Angeklagten Rudi D., war mit einem Minijob dabei.

Wirtschaftsministerium lässt Vorsitzenden im Amt

Der Autor des ZfK-Artikels wundert sich über die Vorgehensweise des Wirtschaftsministeriums, schließlich handele sich „um eine Kasse, die an ein kommunales Unternehmen angegliedert sei.“ Inzwischen wurden die Vorstandspositionen des Schriftführers und des Kassenwartes aus dem Mitarbeiterkreis der Stadtwerke Saarbrücken neu besetzt. Diese sind in ihrem Dienstverhältnis organisatorisch dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Stadtwerke Saarbrücken, Thomas Severin, unterstellt, der gleichzeitig der direkte Vorgesetzte von Helmut D. ist, des Vorsitzenden des VSD.

Keine Konsequenzen gezogen

Gegenüber Saarlandinside zeigt sich das Wirtschaftsministerium wortkarg. Auf die Frage, welche Maßnahmen das Ministerium oder dessen Sonderbeauftragter im Hinblick auf den weiterhin amtierenden Vorsitzenden der Sterbekasse Helmut D. ergriffen habe, gab es keine Auskunft. Die Presseabteilung wies lediglich darauf hin, dass die Bestellung des Sonderbeauftragten aufgehoben wurde: „Die Ausübung der Geschäfte wurde an den derzeit gewählten Vereinsvorstand zurückgegeben“. Der Rest ist Schweigen. Saarlandinside hätte gerne mit dem Sonderbeauftragten gesprochen; seine Adresse war nicht ausfindig zu machen. Das Amtsgericht Saarbrücken hat mitgeteilt, dass die Hauptverhandlung angesetzt wird.