Hintergrund: Wie der SR in der ARD unter Druck gerät

SWR-Intendant Kai Gniffke sieht in der ARD viel Zustimmung für seinen Vorschlag, enger mit dem SR zusammenzuarbeiten. „Mittlerweile ist bei jedem in der ARD die Einsicht gereift: Wir können nicht immer nur warten, bis es eine Beitragserhöhung gibt, und dann machen wir alles so weiter.“

„Ich habe bislang sehr viel positive Resonanz bekommen“, sagte Gniffke. Es gebe einen großen Konsens in der ARD, dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit eigenen Vorschlägen einbringen „und nicht warten, bis etwas mit uns gemacht wird“.  (dpa)

Er finde den Zeitpunkt für das Gniffke-Interview „unglücklich“, sagte der für Medienfragen zuständige saarländische Staatssekretär Henrik Eitel. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag erwecke der SWR-Intendant den Eindruck, „als gäbe es noch Unmengen an Potential zu bergen“. Doch sein Eindruck sei grundsätzlich, so Eitel, „dass man sich bemüht“. Natürlich müssten die Anstalten weiter über mögliche Kooperationen und die Politik über den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutieren.

Nähe zu Frankreich als Hauptargument für den SR

Gniffke selbst hat zwar nicht von einer Fusion gesprochen. Doch genau diesen Eindruck könne man gewinnen, wenn man das Interview liest, findet Eitel: Der SWR-Intendant rede „einer Fusion unterhalb eines Staatsvertrages das Wort“. Das stehe im Moment „bei uns im Saarland nicht zur Diskussion“, stellt der Chef der Staatskanzlei klar. Das Saarland habe mit seiner Nachbarschaft zu Frankreich eine „besondere kulturelle Prägung“, so Eitel. Und für die brauche es eine eigene Sendeanstalt, sagte er im Deutschlandfunk.

Warum braucht es noch neun Rundfunkanstalten?

Andere Verantwortliche in der ARD sind da schon deutlich weiter. Beispielsweise Gabriele Holzner, Programmdirektorin und Vize-Intendantin des Hessischen Rundfunks. Sie plädiert für klarere Schwerpunkte der ARD-Anstalten und will „Tabus über den Haufen werfen“.

„Wir sind neun Landesrundfunkanstalten, die aus der Historie heraus eigenständige Unternehmen sind – jeder kann und macht alles. Also ist es nicht nur aus finanziellen Gründen nötig, unsere Kompetenzen zu bündeln und vernünftig zu strukturieren, sondern auch mit Blick auf Sichtbarkeit und Auffindbarkeit sinnvoll.“

Im Medienmagazin DWDL.de meinte Holzner selbstkritisch: „Jenseits der interessengeleiteten Medienpolitik gibt es Fragestellungen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, und dazu gehört auch, warum es noch neun Landesrundfunkanstalten braucht.“

„Politischer Direkteinfluss beim SR ein Riesenproblem“

Das Medienmagazin DWDL.de kommentiert: „Nachdem SWR-Intendant Kai Gniffke in der zurückliegenden Woche mit der Überlegung vorgeprescht ist, seinen Sender unter Wahrung der regionalen Programmautonomie enger mit dem Saarländischen Rundfunk (SR) zusammenzuführen, haben sein SR-Kollege und die saarländische Landespolitik durch ihre ebenso prompte wie hochallergische Ablehnung eindrucksvoll belegt, wie sehr Besitzstandswahrung und politischer Direkteinfluss, die dem System stets vorgeworfen werden, immer noch aktuell sind. Eitel und seine Kollegen befürchten wahrscheinlich, dass das Saarland (und die Politiker dort) bei einer möglichen starken Verschmelzung mit dem SWR im Programm künftig zu kurz kommen könnte.“

75 Prozent der ARD-Zuschauer über 60 Jahre

Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender des ARD-Gremienkonferenz (die Rundfunkratsvorsitzenden aller ARD-Sender) fordert im Juli 2020 ein strategisches Umdenken der ARD: Die Entwicklung der Gesellschaft erfordere mehr Information, mehr Bildung, mehr Kultur und mehr Vermittlung von Medienkompetenz, sowie qualitativ hochwertige Beratung und Unterhaltung.

Schon Ende 2019 stellte die SWR-Geschäftsführung intern fest: „Unser Fundament bröckelt“. Und zwar besonders beim jüngeren Publikum unter 50 Jahren. Wörtlich heißt es in einem im Intranet veröffentlichten Analyse: „75 Prozent unserer Zuschauer sind im Schnitt heute schon älter als 60 Jahre, 50 Prozent sogar älter als 70 Jahre. Junge Zuschauerinnen und Zuschauer – Fehlanzeige.“ Entsprechend viel Geld, nach eigenen Angaben 75 Prozent des Programmetats, steckt der SWR derzeit in Programme für die ältesten Zielgruppen. „Doch auch unter 50-Jährige zahlen den Rundfunkbeitrag und haben Anspruch auf attraktive Angebote“, heißt es weiter.

Fazit: Die saarländische Rundfunk-Elite hat die Stärke des SWR-Kooperations-Angebots völlig fehl eingeschätzt. Es läge im ureigenen, existenziellen Interesse des hoch defizitären SR, in die ARD das Signal zu senden, für eine Kooperation und damit mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität offen zu sein. Aber in Sachen SR geht es nicht um Vernunft, sondern um die Aufrechterhaltung der Macht, die die großen Parteien CDU und SPD auf die öffentliche Meinung ausüben wollen. Dies auch noch mit einer gewissen Wurstigkeit zu verteidigen, ist peinlich.