Der aktuelle „Ländervergleich Erneuerbare Energien“ ist ein Totalverriss der saarländischen Energiepolitik. Dabei wäre der Ausbau der „Erneuerbaren“ für das Land eminent wichtig. Schon jetzt ziehen wind- und solarstarke Bundesländer den saarländischen Stromverbrauchern jährlich ca. 330 Millionen Euro Ökostrom-Umlage aus der Tasche. Sie frisst die Kaufkraft der Saarländer.
Das Saarland offenbar der große Verlierer der Energiewende
Schuld ist unter anderem das Subventionssystem für die „Erneuerbaren“. Für jede eingespeiste Kilowattstunde erhält jeder Solar-, Biomasse-, Wasser- oder Windenergie-Erzeuger einen Zuschuss. Im Saarland bekommen so die Betreiber der 21.800 Anlagen insgesamt 164 Millionen Euro vergütet. Zahlen müssen dies alle Stromverbraucher, mit der EEG-Umlage von zurzeit 6,88 Cent pro Kilowattstunde. Bei einem Gesamtstromverbrauch im Saarland von 8.000 Gigawattstunden dürfte die Ökostrom-Umlage etwa eine halbe Milliarde Euro ausmachen. Unterm Strich fließen also zurzeit ca. 330 Millionen Euro EEG-Umlage aus dem Saarland weg vor allem nach Baden-Württemberg und in die nord- und ostdeutschen Bundesländer, dort wo der Wind weht, das Biogas gegärt wird und riesige Photovoltaikflächen in die Landschaft passen.
Bei der politischen Schau oben auf, bei der energiepolitischen Leistung unten durch: Energieministerin Anke Rehlinger und ihr Vorgänger Heiko Maas. Foto. Becker&Bredel
IHK-Saar schlägt Alarm: Höchste Pro-Kopf-Belastung
Die Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (IHK) hat bereits für 2014 den Negativ-Saldo durch den Ökostrom mit 355 Millionen errechnet. Zahlen für 2015 und 2016 liegen noch nicht vor. In der Pro-Kopf-Belastung liege das Saarland damit an der Spitze der Bundesländer, klagt die IHK. Sie fordert eine grundlegende Reform der Ökostrom-Förderung, weil sich das Gefälle zu den windhöffigen norddeutschen Standorten und dem Ausbau der Windkraft auf See und damit der Negativ-Saldo aus der Ökostrom-Umlage weiter zuungunsten des Saarlandes vergrößern werde.
Im Saarland fehlt eine zielstrebige Energiepolitik
Von der Landesregierung können die saarländischen Stromverbraucher wohl keine Rettung erwarten. Denn diese scheint nicht einmal ansatzweise dazu in der Lage zu sein, die Zeichen der Zeit zu erkennen und energiepolitisch schlüssig zu handeln. Dies geht aus einer umfassenden Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) und der von der Bundesregierung geförderten Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) vom letzten Monat hervor. Im Länder-Ranking Erneuerbare Energien setzen die Forscher die Landesregierung auf den letzten Platz.
Platz Eins bei den Biogas-Tankstellen
Das Positive der Studie für das „Energieland“ Saarland, in dem zwei Drittel des Primärenergieverbrauchs von der Steinkohle kommen, vorneweg. Bei den 59 Indikatoren erreicht das Saarland einmal Platz Eins: bei der Anzahl der Biogas-Tankstellen bezogen auf die Zahl der zugelassenen Kfz. Überdurchschnittliche Platzierungen erreicht das Saarland bei 15 Indikatoren.
Pluspunkte dort, wo Verbraucher handeln
Auffallend ist, dass die Energieexperten das Saarland insbesondere dort überdurchschnittlich bewerten, wo es in der Hand der Verbraucher und Unternehmen liegt, die Erneuerbaren Energien und den Klimaschutz voranzubringen: bei der Nutzung von Wind, Wasser, Solarwärme, Pellets und Holzhackschnitzel. Bei allen anderen 45 Indikatoren ist das Saarland unterdurchschnittlich bis Letzter. Insbesondere wo es um die politischen Rahmenbedingungen geht, arbeiten alle Bundesländer fundierter als das „Energieland“ Saarland.
Interpretation: Auf dem Weg zu einem ökologischen Energieangebot haben Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern u.a. mehr als die Hälfte hinter sich. Das Saarland hat gerade mal 22 Prozent seines Potenzials genutzt.
Energiepolitische Programmatik: Die Studie bemängelt eine „gering ausformulierte Programmatik“ im unverbindlichen Koalitionsvertrag und in einigen Positionspapieren, vulgo: fehlende konkrete Teil-Ziele, zu viel politischer Sermon. Darin das unverbindliche Versprechen im Koalitionsvertrag, bis 2020 im Saarland 20 Prozent des Energieverbrauchs durch Erneuerbare Energien zu decken. Als vor einem Jahr der Energiebeirat für die Öffentlichkeit in der Saarbrücker Zeitung das Ausbauziel noch für möglich hält, muss Energieministerin Anke Rehlinger geahnt haben, dass selbst bei optimistischer Annahme das Ziel wohl verfehlt werde. Ende 2016 sind erst 12,5 Prozent erreicht. Letzter Platz im Länderranking wegen mangelhafter konzeptioneller Grundlagen.
Landesenergieagenturen können je nach Größe und Umfang der Aufgaben (Kampagnen, Netzwerke, Cluster etc.) Motoren für Erneuerbare Energien sein. Die Studie zeigt, dass die Länder diese Bedeutung erkannt haben. Das im Saarland mit diesen Aufgaben betreute und vom Land opulent finanzierte Institut für Zukunftsenergiesysteme IZES schneidet im Ranking miserabel ab.
Keine Vorbildfunktion der öffentlichen Hand: Auch wenn es um die Ökostrom-Versorgung von Amtsstuben, um Solaranlagen auf landeseigenen Gebäuden und um Wärmeversorgung auf der Basis der Erneuerbaren Energien geht, meldet das Saarland Fehlanzeige: Letzter Platz im Ranking gemeinsam mit Sachsen.
Fehlende ordnungsrechtlichen Vorgaben: Die Länder müssen Vorgaben des Bundes landesspezifisch umsetzen, beispielsweise die Vorschrift über den Einsatz von Wärme aus Erneuerbaren Energien bei Neubauten und bei Bestandsbauten. Das Saarland hat wie sechs andere Bundesländer auch noch keine Nutzungspflicht festgelegt.
Geringe Forschungsausgaben für Erneuerbare Energien, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Auch hier das Saarland mit niedrigstem Wert.
Mangelhaftes Engagement der Landesregierung für Erneuerbare Energien: Hierzu haben die Autoren der Studie die Industrie- und Handelskammer und weitere Verbände zu ihrer Einschätzung befragt. Gleiches Urteil zur Einschätzung der Ansiedlungsstrategie. Vernichtendes Urteil für beide Indikatoren, dafür letzte Plätze.
Fazit: Energie ökologisch zu erzeugen ist das eine, das sozial ungerechte Subventionssystem dahinter, das die Verbraucher im Saarland so massiv benachteiligt, das andere Problem der Energiewende: Jetzt ist also das Saarland auch hier auf dem Weg zum Looser-Land.
Seit Jahren zwacken die Saarländer treu und brav die ständig steigende Ökostrom-Umlage von ihrem Einkommen ab und merken nicht, dass sie heute für den Strom doppelt so viel zahlen wie im Jahr 2000. Jeder vierköpfige Haushalt gibt im Durchschnitt etwa 340 Euro im Jahr – allein für die Ökostrom-Umlage der anderen. Als das EEG-Gesetz beschlossen wurde, verharmloste der damalige Umweltminister Jürgen Trittin, das ganze koste nicht mehr als in Bällchen Eis im Monat.
Schwer zu lecken an der Ökostrom-Umlage haben vor allem die einkommensschwachen Familien. Wenn ökologische Subventionssysteme sozialen Schaden anrichten, dann ist das nicht nachhaltig. So war das nicht gemeint mit der Energiewende. Wo bleibt da die politische Gestaltung?
Hinzu kommt, dass der Bundesländer-Vergleich das Saarland auch politisch zum Looser macht. Gründe nennt die Studie genug. Zusammengefasst: Im Saarland mangelt es an politischer Energie. Das war mal anders: 2012, zur Zeit Simone Peters als Energie-Ministerin, war das Saarland noch deutlich im Aufwärtstrend und auf Platz 14. Immerhin.
Es genügt nicht, jedes Jahr die Energieberatungswoche auszurufen, bei 140 Geräten im Handel das Energie-Label zu prüfen, EU-Gelder in kommunale Projekte zu lenken, die Verantwortung auf einen Energiebeirat zu delegieren. Insofern ist die Ländervergleichsstudie das Pflichtenheft für die Wirtschaftsministerin: Zuerst einmal eine schlüssige Energie-Konzeption entwickeln, die die Interessen der saarländischen Stromkunden und nicht nur der Stromerzeuger vertritt.
Quellen: Bundesnetzagentur Erneuerbare Energien in Zahlen 2015 und IHK Saarland „EEG-Umlage belastet zunehmend das Saarland“