Landesmedienanstalt: Medialer Gemischtwarenladen mit Eventagentur

Seit die CDU im Saarland die Regierung führt, hat sie per Gesetz die Aufgaben der Landesmedienanstalt ausgeweitet, man könnte auch sagen: Der Apparat wurde kräftig aufgebläht. Verantwortlich dafür ist die Staatskanzlei, wo die Medienpolitik gemacht wird.

Von der Zulassungs- und Aufsichtsfunktion der Rundfunkveranstalter (im Saarland gibt es heute gerade mal vier private Hörfunk- und einen Fernsehveranstalter) hat sich die Landesmedienanstalt (LMS) immer weiter entfernt. Inhaltliche Kritik an der Verflachung und Boulevardisierung der privaten Programme sucht man vergeblich. Das Thema Medienkonzentration spielt kaum noch eine Rolle.

Weniger Medienkontrolle – mehr Gamer-Förderung

Stattdessen uferten andere Tätigkeiten aus, die mit der originären Rundfunkaufsicht nichts zu tun haben, aber trotzdem aus Rundfunkbeiträgen bezahlt werden: Medienstandortförderung, Standortpolitik, Filmförderung, Glücksspielkontrolle (mit Zuschüssen des Landes), Förderung der Medienkompetenz, Ausbildung von Mediengestaltern, Beteiligung am Mediennetzwerk SaarLorLux – ja sogar die Förderung des Saarlandes als Gamestandort und der Entwicklung von saarländischen Spieleangeboten!

Die Spielwiesen der Landesmedienanstalt

Insbesondere unter dem Direktor Gerd Bauer, zuvor CDU-Landtagsabgeordneter und bis heute Mitglied im Saarbrücker Stadtrat, hat sich die LMS seit 2001 von einem Kontroll- und Aufsichtsorgan immer mehr zu einem medialen Gemischtwarenladen mit angegliederter Eventagentur entwickelt. Saarland Medien GmbH, Mediennetzwerk Saar und Onlinerland Saar heißen die verschiedenen Spielwiesen der öffentlich-rechtlichen Anstalt, wo der Direktor nach Besoldungsgruppe B 5 (mtl. Grundgehalt 9260 €) und sein Stellvertreter nach B 2 (mtl. Grundgehalt 7800 €) bezahlt werden. Nebenbei erhielt Bauer als Geschäftsführer der Saarland Medien GmbH eine jährliche Aufwandsentschädigung von 7200 €. Sein Nachfolger Uwe Conrad, zuvor ebenfalls CDU-Landtagsabgeordneter, übernahm diese Tradition von 2016 bis zu seiner Wahl zum Saarbrücker Oberbürgermeister 2019.

Direktorenposten parteipolitisch besetzt

Ein Paradebeispiel für den CDU/SPD-Filz im Saarland dann die Neubesetzung des Direktorenpostens Ende 2019. Noch vor der Ausschreibung der Stelle benannte die CDU-Fraktion im Landtag die Abgeordnete Ruth Meyer zu ihrer Kandidatin. Der Koalitionspartner SPD signalisierte Zustimmung. Damit war die Sache zugunsten von Meyer gelaufen, noch bevor andere sich bewerben konnten. Dagegen hagelte es zurecht Kritik: Dass die Kandidatin ohne Karenzzeit überhaupt vom Landtag gewählt wurde, und nicht – wie beim SR – durch den Medienrat. Dass das Prinzip der Politikferne damit missachtet wurde. Dass nicht nach dem beamtenrechtlichen Prinzip der Bestenauslese vorgegangen wurde. Wogegen ihr Stellvertreter – erfolglos – klagte. Dass die Stelle für eine ganze Wahlperiode von sieben Jahren besetzt wurde, obwohl sie eigentlich nur für die Restzeit aus Conrads Vertrag hätte besetzt werden dürfen. Doch alle Einwände fegte der Landtag mit den Stimmen der großen Koalition vom Tisch.

Ein tiefer Blick in die Augen und schon ist‘s um die Verfassung geschehen. Die Wahl von Ruth Meyer im Landtag zur LMS-Direktorin verletze das Verfassungsprinzip der Staatsferne von öffentlich-rechtlichen Medien, sagt Prof. Dieter Dörr, Direktor des Mainzer Medien-Instituts und fünf Jahre lang Justitiar des Saarländischen Rundfunks.

Desaströse Finanzen bei der LMS

Meyer übernahm Anfang 2020 eine Medienanstalt mit desaströsen Finanzen. Laut dem im Internet veröffentlichten Wirtschaftsplan 2019 – andere und insbesondere aktuelle Zahlen sucht man vergeblich – mussten seit 2017 rund 900.000 Euro aus den Rücklagen entnommen werden. Damit schmolz das Finanzpolster dahin, Stand der Rücklage Ende 2019: Minus 400.000 Euro! Die LMS will mit einer „nachhaltigen Ausgabendisziplin“ antworten und hofft auf die von Sachsen-Anhalt bisher verhinderte Beitragserhöhung.

KEF will Finanzierung zurückfahren

Doch die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der ARD) plädiert grundsätzlich für eine Senkung des Anteils für die Medienanstalten. Dann wird man nicht umhinkommen, „das strukturelle Finanzdefizit“ als ein Ausgaben- und nicht als ein Einnahmeproblem zu begreifen. Zumal es an Transparenz fehlt, welche Tätigkeiten konkret aus Rundfunkbeiträgen und welche aus Landeszuschüssen finanziert werden. Die Rundfunkanstalten würden mit solch einem Gebaren gegenüber der KEF jedenfalls nicht durchkommen.

Bund übernimmt Aufgaben der Landesmedienanstalten

Das nächste Problem ist schon in Sichtweite, und zwar im Bereich des Jugendmedienschutzes, einer der Kernaufgaben der Landesmedienanstalten. Anfang März hat der Bundestag ein neues Jugendschutzgesetz verabschiedet. Es geht darum, Kinder und Jugendliche, die im Internet gemobbt, beschimpft und beleidigt werden, besser zu schützen. Auch möchte das Familienministerium unter Franziska Giffey (SPD) bessere Vorsorgemaßnahmen insbesondere bei der Nutzung von Social-Media-Diensten einführen. Auf diesem Gebiet wird der Bund also in Zukunft zahlreiche Aufgaben wahrnehmen, die sich die Medienanstalten bisher auf die Fahne geschrieben hatten. Insbesondere durch die neue Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, die die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ablösen wird. Sie soll auch Bußgelder verhängen können.

Man kann sich natürlich fragen, warum der Bund hier Doppelstrukturen festigt, obwohl sich schon 14 Landesmedienanstalten um das Thema kümmern. Möglicherweise ist ihm das föderale Gestrüpp zu undurchsichtig und aufgebläht.

Lesen Sie auch den Beitrag von Volker Hildisch “Landesmedienanstalt zwischen Defizit und Verschwendung”