Landesregierung steuert Saar-Kliniken in den Infarkt

Zu viele Betten, zu viele Großgeräte, zu hohe Kosten, zu viele Operationen. Und die Landesregierung will noch 600 Betten zusätzlich einrichten. Wie krank ist die saarländische Krankenhauspolitik? Oder ist der Krankenhausplan nur plumper Wählerfang auf Kosten der Steuerzahler und Krankenversicherten?

Krankenhausstrukturen wirtschaftlich nicht tragfähig

Bundesweit ein Spitzenplatz: Um mehr als fünf Prozent stiegen im Saarland die Kosten für einen Krankenhausaufenthalt im Jahr 2017. Dies hat das Statistischen Bundesamt ermittelt. Diese Entwicklung bestätigt die Befürchtungen der Experten: Die Krankenhausstrukturen im Saarland sind wirtschaftlich und fachlich langfristig nicht tragfähig. Der Grund: Es gibt im Saarland mit 22,1 Krankenhäusern je 1 Mio. Einwohner zu viele und zu kleine Krankenhäuser. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 20,4 Krankenhäusern. Die Folge: Die Kosten der saarländischen Krankenhäuser sind mit 1.255 Euro je Einwohner deutschlandweit  am höchsten. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 1.056 Euro.

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Zu viele Krankenhäuser machen sich Konkurrenz

Auf diese Fehlentwicklung hatte der Verband der Ersatzkassen (VDEK) bereits im Mai hingewiesen. Dazu gab es eine fundierte Grundlage: Im Vorfeld des von Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) Anfang 2018 vorgelegten Krankenhausplans 2018 bis 2025 hatte der VDEK das Institut für Health Care Business des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung mit einer Analyse der Krankenhausstrukturen im Saarland beauftragt. Dessen Projektleiter, Prof. Dr. Boris Augurzky wies im Oktober 2017 darauf hin: „Es gibt im Saarland viele Standorte, die sich gegenseitig Konkurrenz machen und am Ende unwirtschaftliche Strukturen hervorbringen, die in den nächsten zehn Jahren nicht zu halten sein werden.“ Die gleiche Meinung vertrat in einem Interview im März 2018 die damalige Vorsitzende der Saarländischen Krankenhausgesellschaft (SKG), Dr. Susann Presslein. Sie hält zehn gut verteilte Krankenhausstandorte im Saarland für ausreichend. Die Bettenlobby geriet offenbar in Aufruhr. Presslein musste den Vorsitz vorzeitig abgeben.

Gesundheitsministerin Bachmann: Quantität statt Qualität

Aber anstatt den saarländischen Krankenhausplan zu nutzen, um gezielt in die Qualität der Krankenhäuser zu investieren, ignorierte Bachmann die Ratschläge der Experten und verteilt das knappe Geld im Gießkannenprinzip. Wählerwirksam verkündete sie bei der Verabschiedung des Krankenhausplans im Juni, die Betten-Kapazität landesweit um 8,4 Prozent auf 6.902 Betten auszubauen. Und das, obwohl die Patientenzahlen im Saarland 2017 gesunken sind. Die Gründe kann man erahnen: Gleichzeitig zur politischen Debatte um den Krankenhausplan wurde auch die Ende 2017 erfolgte Einstellung der St. Elisabeth-Klinik in Wadern heiß diskutiert.

Die meisten Intensivbehandlungen, lange Liegezeiten

Der wirtschaftliche Druck, die überdimensionierte Krankenhaus-Infrastruktur auf dem Rücken der Patienten und des Personals auszulasten, ist derzeit schon hoch. Das lässt sich aus verschiedenen Kennzahlen ableiten. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte liegt im Saarland 5 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, bei vergleichbarer Schwere der Fälle. Bei den Intensivbehandlungen ist das Saarland mit 1.552 Fällen je 100.000 Fälle bundesweit Spitzenreiter und auch die Anzahl der Krankenhaustage ist im Saarland bundesweit am zweithöchsten.

Ungewöhnlich viele Operationen im Saarland

Dennoch leisten sich die kleinen Krankenhäuser im Saarland laut RWI-Gutachten „eine ungewöhnlich hohe Anzahl an medizinischen Großgeräten“: 80 je 100.000 Einwohner. Kein anderes Bundesland verfügt über eine so große technisch-medizinische Infrastruktur. Offensichtlich müssen bereits jetzt die Patienten die daraus resultierenden hohen Fixkosten kompensieren. Denn laut RWI-Gutachten werden im Saarland auch „ungewöhnlich vielen Operationen und Untersuchungen“ durchgeführt. Aber auch das Personal bekommt die Auswirkungen zu spüren. Gerade Anfang dieser Woche beklagte der Landesvorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bundes, Markus Hardt, dass der wirtschaftliche Druck insbesondere auf die Klinikärzte immer stärker werde.

Veraltete und marode Klinikgebäude

Krankenhaus-Mitarbeiter und Patienten werden die kurzfristige Sichtweise von Ministerin Bachmann auf lange Sicht noch teurer bezahlen müssen, denn das RWI-Gutachten kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass die Kliniken im Saarland durch veraltete Baukörper und verschleppte Instandhaltungen gekennzeichnet sind. Für das Saarland schätzt die Krankenhausgesellschaft (SKG) den Investitionsstau bis 2025 auf 1 Milliarde Euro. Der im Oktober neugewählte SKG-Vorsitzende Manfred Klein erhebt schwere Vorwürfe: „Wenn die Koalitionsfraktionen nicht schnell handeln, gefährden sie die Gesundheit der Saarländerinnen und Saarländer.“ Die kleinen Kliniken können die Finanzmisere nicht bewältigen. Die Sachanlagevermögen und die Förderquoten der Häuser sind seit Jahren rückläufig.

Kirchturmpolitik zu Lasten von Personal und Patienten

Die Fakten belegen: Es gibt keine Alternative, als die anstehenden Krankenhaus-Investitionen auf weniger Standorte zu konzentrieren. Die damit verbundenen Diskussionen sind für Politiker naturgemäß unschön. Im kleinen Saarland, in dem kein Patient mehr als 30 Minuten zur Klinik braucht, kommt die Schließung von Krankenhäusern beim Bürger nicht gut an. Gerade Gesundheits-Ministerin Bachmann hatte jedoch die Ausgangsbasis, eine sinnvolle Krankenhausplanung durchzufechten. Diese Politik steuert angesichts der Herausforderungen in der Gesundheitspolitik für Personal und Patienten geradewegs in den Infarkt. FDP-Landeschef Oliver Luksic fordert deshalb einen Runden Tisch mit Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen für ein besseres Gesundheitswesen im Saarland. Bachmanns Krankenhausplan müsse deutlich korrigiert werden.

Quellen:
• Endbericht „Überblick Krankenhausstrukturen Rheinland-Pfalz und Saarland“, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Institute for Health Care Business GmbH, Essen (2016), im Auftrag der AOK Rheinland-Pfalz/ Saarland, IKK Südwest, vdek-Landesvertretung Rheinland-Pfalz und Saarland, Knappschaft (Regionaldirektion Saarbrücken), BKK Landesverband Mitte (Landesvertretung Rheinland-Pfalz und Saarland) und Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau November 2016
• Destatis, Statistisches Bundesamt
• Krankenhausplan für das Saarland 2018 – 2025