Landtagsfraktionen: Lotterwirtschaft auch nach 2009?

Jahrelang kassierten Landesparlamentarier und ihre Mitarbeiter Steuergelder für Parteiarbeit und in die eigene Tasche. Ein Grund mehr, bei der Wahl am 26. März auf unverbrauchte und integere Kandidaten zu achten.

Ein kleiner Gruß aus der Küche an die großen Gelüste von Abgeordneten

Einige Schmonzetten aus dem Prüfbericht des Rechnungshofs für 2004 bis 2009 waren bekannt. Faschingskostüm-Ausleihe, Konzert-Karten für Nana Mouskouri, „Rote Hosen“- Reisen der Fußballer und Sterne-Menüs, alles auf Steuerzahlerkosten. Anscheinend harmlose Kavaliersdelikte. Das Wählervolk sollte schmunzeln und vergessen. Jetzt dürfte die Humorfähigkeit der Saarländer allerdings aufgebraucht sein. Die Fraktionen haben indirekt eingestanden, erst 2014 (SPD) und 2015 (CDU) die Mängel abgestellt zu haben; d.h. bis dahin ging die Misswirtschaft teilweise weiter (Die Stellungnahmen der Fraktionen auf die Saarlandinside-Anfragen am Ende dieses Artikels). Und noch eins wird bei der Auswertung des 68seitigen Prüfberichts klar: Es geht nicht um kleine Schummeleien, sondern um systematisches Hintergehen der Gesetze und Regeln des Anstands. „Drei Fraktionen (haben) in mehr oder weniger großem Umfang … teilweise in betrügerischer Absicht“ gegen simpelste Buchhaltungsregeln verstoßen, sagen die Rechnungsprüfer.

Steuerzahlerbund: „Jegliches Unrechtsbewusstsein abhandengekommen?“
Wie saarländische Landtagsabgeordnete das Geld des Steuerzahlers verpulvert haben, könnte im Einzelfall strafrechtlich Untreue gewesen sein. Auch der Tatbestand, dass die Fraktionen die rechtswidrig gezahlten Gelder, z.B. Überzahlung bei Gehältern, von den Begünstigten nicht zurückforderten, sagte der Bund der Steuerzahler. Er erstattete im Juni letzten Jahres deswegen Anzeige. Christoph Walter, Vorsitzender des 4.000 Mitglieder starken Steuerzahlerbundes im Saarland: „Es drängt sich die Frage auf, ob den Abgeordneten jener Wahlperiode jegliches Unrechtsempfinden abhandengekommen ist.“ Die Strafanzeige der Wächter gegen staatliche Geldverschwendung verlief in der Verjährung. Einstellung des Verfahrens.

Doppelt abgerechnet und Belege verändert
Einige Ungereimtheiten aus dem Prüfbericht waren im letzten Jahr in die Öffentlichkeit gelangt, viele brisante Details aber nicht. Vor allem aber können zahlreiche Verstöße nicht als Kavaliersdelikte durchgehen. Die Tricks der Parlamentarier und ihrer Gehilfen erwecken den Verdacht von systematischem Schummeln bis zum Betrug. Häufige „Doppelzahlung und Doppelverwendung von Rechnungen und Änderung von Belegen“ monierte der Rechnungshof scharf.  Der Schaden allein hier 23.600 Euro.

Ein normaler Arbeitnehmer würde fristlos gekündigt
Der Verdacht der „betrügerischen Absicht“ könnte z.B. aufkommen, wenn ein Fraktionsvorsitzender seine Privatreise mit 576 Euro als Dienstreise absetzt, ein/e andere/r Abgeordnete/r mal den Kumpel, der mit Fraktionsarbeit nichts am Hut hat, zu einem Flug nach Berlin einlädt (960 Euro). Oder wenn ein Parlamentarier für die Flug- und Hotelkosten einer privaten, zweitägigen „Friedensreise nach Rom“ in die Tasche des Steuerzahlers greift. Jeder Arbeitnehmer würde dafür fristlos entlassen. Unsere Volksvertreter hingegen wissen sich durch Immunität geschützt. Überhaupt lassen es sich unsere Abgeordneten auf Dienstreise gut gehen: Pro Übernachtung stellen sie dem Steuerzahler im Durchschnitt 183,20 Euro in Rechnung. Der Vollständigkeit halber: Dass nicht alle Abgeordneten als Spesenritter unterwegs sind, beweist ein Fraktionsvorsitzender mit 70 bis 100 Euro Ausgaben für die Nacht. Gesamtschaden unter der Rechnungshof-Position Dienstreisen: 18.000 Euro, pro Abgeordneten 350 Euro.

Wie Abgeordnete sich Parteiarbeit aus der Staatskasse leisten
Bei zahlreichen Dienstreisen hatten die Rechnungshof-Prüfer den Verdacht, „es könnte sich um Parteiarbeit handeln.“ So unpräzise waren die Angaben in den Belegen, wenn die Parlamentarier den Zweck ihrer Reise angeben sollten. Entsenden die Fraktionen ihre Abgeordneten auf Fraktionskosten in Parteigremien und zu Parteiveranstaltungen, wäre dies illegale Parteienfinanzierung. Der Verdacht der Prüfer weist auf das Phänomen hin, dass Parteien bei immer teurer werdenden Wahlkämpfen und spärlicher fließenden Spenden immer ungenierter nach Geldquellen suchen. Die Finanzierung aus der Fraktionskasse ist eine, eine andere ist die großzügige Versorgung von Parteisoldaten im Staatsdienst. Saarlandinside berichtet darüber in einer Artikelserie über Postenschieberei der Parteien.

Bewirtungskosten: Viele Grüße aus der Küche
Was die Prüfer bei den abgerechneten Bewirtungskosten fanden, klingt haarsträubend. Die bekanntgewordene Nachmittagsklausur bei einem Dreisterne-Koch könnte noch als 1270 Euro-Gruß-aus-der Küche an das kulinarisch aufgeladene saarländische Lebensgefühl durchgehen. Ein anderes Monitum zeigt hingegen, dass die politische Abstimmung zwischen Ministerialbediensteten und der jeweils nahestehenden Fraktion am besten beim gemeinsamen Mahl anschlägt. Hauptsach gudd gess? Das läuft bei Fraktionsmitgliedern auf „kostenlose Selbstbewirtung hinaus“, sagt der Rechnungshof, bei den Ministerialen auf Vorteilsannahme. Gezahlt dafür hat der Steuerzahler.

Eine Spesenrechnung für 2.287 Euro, auf der nichts draufsteht
Wie auch in folgendem Fall aus den Rechnungshof-Akten: Da hat ein Abgeordneter (kein Fraktionsvorsitzender !) über Jahre hinweg im festen fast wöchentlichen Turnus 210 Belege für Speisen und Getränke abgerechnet. Der Schaden für den Steuerzahler hier 7.300 Euro (!). Völlig absurd, was die Prüfer bei einem Beleg für eine angebliche Bewirtung fanden: Weder war der Name des Restaurants erkennbar, noch die Speisen und Getränke aufgelistet, genau sowenig die Namen der bewirteten Personen. Und für diesen nichtssagenden Beleg hat ein Fraktionsmitarbeiter 2.287 Euro bar aus der Kasse erhalten. Ob das Geld bei der Gaststätte eingegangen ist, ist auch nicht bekannt, es gibt keine Quittung darüber. Gesamtschaden bei den Bewirtungskosten: 13.600 Euro.

CDU: Beanstandungen 2015 größtenteils erledigt
Für Ihre Verfehlungen mussten die Fraktionen auf Druck des Rechnungshofs 325.000 Euro zurückzahlen, für die Jahre 2004 bis 2009. Und für die Jahre danach? Die CDU-Fraktion, mit 120.000 Euro wegen Unregelmäßigkeiten belastet, erklärte: „Die vom Rechnungshof in seiner abschließenden Entscheidung vom 22.10.2015 beanstandeten Punkte [Anmerkung der Redaktion: für den Zeitraum vom 29.9.2004 bis 22.9.2009] waren zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits zum größten Teil erledigt oder eingestellt.“ Bei der CDU hatten also bis 2015 die vom Rechnungshof inkriminierten Sachverhalte teilweise bestanden.

SPD-Fraktion: 2014 neue Geschäftsordnung
Die SPD-Fraktion, mit 160.000 Euro in der Steuerzahlerschuld, war mit dem Aufräumen ein Jahr früher dran. Sie hatte am 5.5.2014 die Rechnungshof-Rüge erhalten und sich „am 15.9.2014 in ihrer Fraktionssitzung eine gänzlich neue Finanzordnung gegeben…Damit ist gewährleistet, dass … die Sachverhalte ab diesem Zeitpunkt abgestellt wurden,“ so die Fraktion in einer Stellungnahme an Saarlandinside.

Grüne noch am saubersten
Offenbar am saubersten stehen noch die Grünen dar. Von den zurückgeforderten 44.000 Euro entfielen allein 42.000 Euro auf die Abschlussbilanz der Fraktionsarbeit, den „Grünen Kurier“.  Der Rechnungshof bewertete den Versand der Werbeschrift als zu nahe am Wahltag liegend und damit als nicht zulässig.

Um nicht alle über einen Kamm zu scheren: Die Fraktionen haben unterschiedlich tief in die vom Steuerzahler gefüllte Kasse gegriffen. Nicht jeder Abgeordnete hat sich auch persönlich bereichert. Der Bericht der Rechnungsprüfer ist anonymisiert. Der Rechnungshof nennt in seinem öffentlichen Bericht weder Ross noch Reiter. Er deckt Sachverhalte auf.