Über die gefilterte Weltsicht der wohlsituierten Journalisten

Redaktionsjob für die Saarlodris: Über Themen berichten, die für die Allgemeinheit von Interesse und relevant sind . Foto: Screenshot SR.de

ARD- und ZDF-Journalisten liegen beim Einkommen nahe an den oberen zehn Prozent, SR-Redakteure bis zu 20 Prozent über dem öffentlichen Dienst. Ihr wirtschaftlicher Status beeinflusst auch die Berichterstattung.

Beim SR liegen die Grundgehälter für normale Redakteure zwischen 4.000 Euro für junge Anfänger bis 10.000 Euro für alte Hasen. Journalisten ohne besondere Programmverantwortung verdienen mehr als Richter, Uni-Professoren oder Abteilungsleiter in den Ministerien. SR-Mitarbeiter mit Programmverantwortung verdienen übertariflich, im Schnitt mehr als 11.000 Euro (ARD-Auskunft), so viel wie ein Staatssekretär oder der Präsident des Oberlandesgerichts.

Bei der Diskussion über das im Vergleich mit dem öffentlichen Dienst unangemessen hohe Gehaltsniveau auf dem Halberg, verweisen SR-Obere gerne darauf, dass es andere Anstalten, insbesondere der WDR, noch toller trieben. So soll der Verweis auf die die Kölner Skrupellosigkeit die eigene relativieren. Die Medienpolitiker kommen an dem Thema dennoch nicht vorbei.

 „Auch sollen die Leitungsstrukturen modernisiert und das Vergütungssystem angepasst werden. Die Gehälter sollen sich dann an denen des öffentlichen Sektors orientierten.“

 Saar-Medienstaatssekretär Thorsten Bischoff laut Saarbrücker Zeitung

Bischoff hat die Normalisierung der Journalisten-Gehälter in der Hand. Im SR-Verwaltungsrat und hat er Einfluss auf die Tarifverhandlungen und die Eingruppierungspraxis im SR. Auch dass in den bisherigen Tarifverhandlungen der SR immer mehr Abstand öffentlichen Gehaltsniveau gewann, ist eher auf die persönliche Nähe der Verhandlungspartner und wohlwollende Zugeständnisse zurückzuführen.

Journalisten sehen die Welt als Wohlsituierte

„Die große Mehrzahl der Journalisten in den Leitmedien lebt aufgrund ihrer Ausbildung und vor allem ihrer Einkommen in einer Welt, die mit der der Bevölkerungsmehrheit nicht viel zu tun hat. Schon der durchschnittliche Redakteur bei ARD und ZDF liegt mit seinem Gehalt genau an der unteren Grenze des oberen Zehntels,“ schreibt der Eliten-, Betriebs- und Organisationssoziologe Michael Hartmann im Politik-Magazin Cicero.

„Sie können sich daher ein Leben leisten, das für die Mehrheit nicht bezahlbar ist. Man kennt auch in seinem Umfeld kaum jemanden, der über deutlich weniger Geld verfügt, geschweige dann jemanden, der wirklich arm ist. Dafür sorgen schon die Wohnkosten in den Vierteln, in denen man lebt. Man sieht die Gesellschaft in der Regel durch diese gefärbte Brille, zumal man sich im Kollegen-, Freundes- und Bekanntenkreis der Richtigkeit der eigenen Position immer wieder versichern kann.

Themen bevorzugt, die für die Eliten vorrangig sind

Dies präge ihre Einstellung und die Berichterstattung. Hartmann weiter: „Es werden jene Themen bevorzugt behandelt, die von den Eliten als vorrangig angesehen werden, unabhängig davon, ob die Meinung der Bevölkerung genauso ausfällt. Als die Einkommensgrenze beim Elterngeld von 300.000 € zu versteuerndem Einkommen auf 150.000 € reduziert werden sollte, gab es einen regelrechten Aufschrei in den Leitmedien, obwohl es nur die obersten ein, maximal zwei Prozent der Bevölkerung betroffen hätte. Die allmähliche Reduzierung der Kindergrundsicherung gegen Null findet nur geringe mediale Aufmerksamkeit, obwohl diesem Gesetzesvorhaben für die gesamte untere Hälfte der Bevölkerung große Bedeutung zukommt.“

22 SR-Journalisten arbeiteten gegen Honorar für die Landesregierung

Eine neue Diskussion über eine zu große Verbundenheit von Medien und Politik hätte im letzten Jahr eine Liste über Nebentätigkeiten von Saar-Journalisten bei der Landesregierung in Gang bringen können. Die AfD hatte eine Landtagsanfrage dazu gestellt. Die Auskunft: Für die Staatskanzlei und die Ministerien hatten öffentlich-rechtliche Journalisten den Moderator gegeben. Dafür bekamen sie 52.600 Euro. In 27 Fällen gab die Landesregierung SR-Mitarbeiter an. Der Vollständigkeit halber: Auch Journalisten privater Medien haben Staatsaufträge angenommen, in elf Fällen Radio-Salü-Mitarbeiter und in sechs Fällen Journalisten der Saarbrücker Zeitung. Nebenjobs bei öffentlichen Unternehmen, Verbänden, Parteien und Parteistiftungen sind nicht erfasst.

Nebenbei: Zuvor waren auch im Bundestag nach einer AfD-Anfrage lukrative Nebenjobs von Journalisten bei der Bundesregierung bekannt geworden. Danach erhielten 120 öffentlich-rechtliche Journalisten 875.000 Euro. Promis von Privaten ließen sich gut bezahlen. Ein Aperçu: Linda Zervakis von Prosieben hatte auf einem Digital-Festival moderiert und Bundeskanzler Olaf Scholz interviewt. Das Honorar von 12.000 Euro zahlte laut SPIEGEL das Bundeskanzleramt. 

Interessenkonflikte möglich

Im Saarland sehen SR-Geschäftsführung und Compliance-Stelle keinen Grund zum Einschreiten. „Die Journalisten lassen sich in ihrer Berichterstattung nicht […] beeinflussen,“ sagen die Redaktionsrichtlinien des Senders. Die Praxis lässt Interessenkonflikte zumindest als möglich erscheinen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die Auftraggeber in den Saar-Ministerien eine wohlwollende Berichterstattung der Beauftragten mitgedacht haben. Die Saar-Medien machten kein großes Bohei um das Problem. Die Saarbrücker Zeitung ging zwar ausführlich auf die Honorare von Sven Plöger und Sascha Lobo ein (bei denen eine persönliche Nähe zur Saarpolitik ohnehin nicht zu besorgen ist). Fakten zu den Nebentätigkeiten einheimischer Medienschaffender wurden eher untergeordnet. Auch der SR kam um eine Wahrnehmung des Problems nicht rum. Er betont, dass auch freie Mitarbeiter von den Aufträgen profitierten.

Quellen:
Saarbrücker Zeitung. Länder wollen Rundfunkanstalten stärken und für Zukunft aufstellen

Hartmann, Michael. Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden. Campus. 276 Seiten.

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