Grubenflutung: Auf welcher Seite stehen Altmaier, Hans und Maas ?


Drei gewichtige politische Akteure der RAG-Stiftung, platziert in die Wassergärten von Reden, wo Wasserfall-Installationen mit Grubenwasser von dessen Giftfracht ablenken: Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), Außenminister Heiko Maas (SPD). Alle drei sind nebenberuflich noch Abgeordnete.  
© Gerd Wehlack (LEG)/Bundesregierung/Landesregierung / Fotomontage: Samantha Jockel

Der Umweltverband „Pro H2O Saar“ befürchtet, dass durch die geplante Flutung der stillgelegten Saarberg-Gruben Gifte in das Grundwasser gelangen. Können die Saarländer sicher sein, dass bei diesem sensiblen Thema führende saarländische Politiker das Beste für ihr Land tun? Wenn man die lukrativen Verflechtungen von  Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) mit der RAG-Stiftung sieht, können Zweifel aufkommen.

Alle drei sind Mitglied im Kuratorium – dies entspricht einem Aufsichtsrat – der RAG-Stiftung. Als Aufsichtsräte haben sie dabei die strategischen und wirtschaftlichen Interessen der RAG-Stiftung zu vertreten. Die Stiftung will seit Jahren die Saargruben mit Wasser volllaufen lassen. Gutachter können aber Gefahren für Grundwasser und Bäche nicht ausschließen. Wie kann beispielsweise der Ministerpräsident sein Aufsichtsratsmandat mit seiner Fürsorgepflicht für die Saarländer vereinbaren?

Nach dem Ende des Bergbaus kommt die Bewältigung der Altlasten

Die Vorgeschichte: Nach 260 Jahren ist im Juni 2012 Schluss mit dem Bergbau an der Saar. Die Kohleländer Nordrhein-Westfalen und Saarland machen mit der eigens dafür gegründeten Ruhrkohle-AG-Stiftung den Erblastenvertrag. Die RAG-Stiftung soll die stillgelegten Gruben unterhalten, vor allem das eindringende Regenwasser abpumpen, damit die Bergwerke nicht volllaufen, und dies für alle Ewigkeit. Ausführendes Unternehmen ist die RAG-Aktiengesellschaft. Es ist ein miserabler Vertrag für das Land, denn die RAG-Stiftung kündigt ihn einseitig, ohne Sanktionen. Grund der Kündigung. Die RAG will die 15 Millionen Euro an Abpump-Kosten jährlich einsparen. Wenig Geld, verglichen mit dem Vermögen der Stiftung von aktuell 20 Milliarden Euro, das zudem jährlich um ca. 400 Millionen Euro wächst.

RAG erwartet schon in Kürze die Genehmigung des Wirtschaftsministeriums

In der Phase 1 soll das Grubenwasser bis zur Höhe von 320 Metern unter null ansteigen. In der Phase 2 will sie das Abpumpen ganz aufgeben und die Saargruben weitere 5oo Metern höher komplett volllaufen lassen. Das Wasser läuft dann unterirdisch zur Grube Ensdorf über und von dort direkt in die Saar. Die Saar soll offensichtlich die Ewigkeitslasten tragen.

Hochgiftige Hydrauliköle heute schon in die Bäche

Mit dem Fluten der Gruben wird in den Hohlräumen und Flözen einiges an hochbrisanten Gift- und Gefahrstoffen gelöst und aufgewirbelt. Über die Jahre haben die Saarbergwerke mehrere hundert Tonnen der krebserzeugenden Hydrauliköle PCB unter Tage gelassen. Mit riskanten Folgen: Schon heute pumpt die RAG PCB-belastetes Grubenwasser in den Sinnerbach, den Köllerbach und den Fischbach, wo die Grenzwerte um ein Mehrfaches überschritten sind.

Einleitung von Giften ein strafrechtlicher Tatbestand?

Die Bäche haben zudem eine Salzfracht von 60 Tonnen täglich zu tragen. „Die Situation am Fischbach ist dramatisch. Ich finde, die Einleitungen dort verstoßen gegen jede Genehmigung oder sind inzwischen als strafrechtlicher Tatbestand zu sehen. Mich wundert, dass die Staatsanwaltschaft hier noch nicht tätig geworden ist“, so der Sprecher der überparteilichen Initiative „Pro H2O Saar“, der Illinger Bürgermeister Armin König in einer Landtagsanhörung 2018.

Untertage-Deponien mit Hunderttausenden Tonnen Sondermüll

Zu den Tonnen an Gift-Ölen kommen Hunderttausende von Tonnen Sondermüll in Flözen und Streben der Gruben Reden, Camphausen, Luisenthal und der Grube Warndt: Zehntausende Tonnen von Asbest, 4.000 Tonnen chemiebelastete Gießereialtsande, Harze, Sonderabfälle aus der Rauchgasentschwefelung und 260.000 Tonnen Flugasche von Kohlekraftwerken, dazu jede Menge Formaldehydschaum. Sie enthalten hochbrisante Giftstoffe, die über Tage niemand haben will, insbesondere Kohlenwasserstoffe und zahlreiche umwelt- und gesundheitsschädliche Schwermetalle.

Bei der Teilflutung entstehen noch wenig Risiken

Die RAG geht die Totalflutung der Saar-Bergwerke in zwei Phasen an. Offenbar aus genehmigungstaktischen Gründen. In der Phase 1 ist der Grubenwasserwasseranstieg bis auf 320 Meter unter Normalnull, das sind mehr als 500 Meter Abstand zur Erdoberfläche. Wegen des großen Abstands sind bei dieser Teilflutung kaum Risiken für die darüberliegenden Grundwasserreservoire zu befürchten. Genehmigt das Land die Phase 1, müsste die RAG vorerst das Wasserniveau auf minus 320 Metern halten, also weiter abpumpen.  

Bei der Totalflutung gelangen Schadstoffe ins Grundwasser

Die RAG will die Pumpen jedoch auf alle Zeiten abschalten. Das heißt: Die Phase 2, die Totalflutung 500 Meter höher bis Geländeoberflächennähe, wird realisiert. Für diesen Fall schlagen die externen Gutachter vom Dresdner Grundwasserzentrum Alarm. Sie weisen auf die Gefahr hin, dass das hochsteigende Grubenwasser samt Giftstoffen aus den Untertage-Deponien sich mit dem oberflächennahen Grundwasser vermischen wird. Rechtliche Konsequenz: Die Genehmigungsbehörden müssen bei der Entscheidung zur Phase 1 zwingend auch schon die durch die Phase 2 ausgelösten Folgen für Mensch und Umwelt bewerten.

Gesundheitsrisiken: Befürchtungen von „Pro H2O“ bestätigt

Damit bestätigen die Gutachter die Befürchtungen des Umweltverbands „Pro H2O Saar“, dass mit steigendem Wasserspiegel Gifte nach oben ins Grundwasser gelangen. Das steigende Wasser drücke auch Gase aus dem Gestein nach oben, unter anderem das krebserregende Radon, im Saarland geologisch bedingt ohnehin ein Gesundheitsproblem. „Pro H2O Saar“ spricht für 600.000 von der Flutung betroffenen Saarländern.

Saarländische Spitzenpolitiker im RAG-Stiftungs-Kuratorium

Bleibt die Frage nach einem korrekten Genehmigungsverfahren zum vorliegenden Antrag für die Phase 1 der Grubenflutung, wenn im RAG-Kuratorium die saarländische Politik so einflussreich vertreten ist. (Lesen Sie dazu den Beitrag des Sprechers von „Pro H2O Saar“, Dr. Armin König). Denn die Verknüpfungen zwischen der RAG-Gruppe und der Politik beschränken sich nicht auf die Mitgliedschaft im RAG-Kuratorium.

Kramp-Karrenbauer: RAG-Tochter Evonik zu Spenden an Parteifreunde beim LSVS gedrängt

Als die Stiftung 2012 den Ewigkeitsvertrag mit dem Saarland in puncto Grubenwasser einseitig kündigte, wurde Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer Mitglied im 13köpfigen RAG-Stiftungsgremium. Eine ihrer ersten Aktivitäten muss gewesen sein, im milliardenschweren RAG-Umkreis nach neuen Geldquellen zu suchen. Sie wurde bei der RAG-Stiftungstochter Evonik fündig. Jedenfalls startete der Chemie-Riese 2013 ein umfangreiches Sponsoring an den Landessportsverband Saar (LSVS).  

Eine Million Euro von Evonik auf eine inoffizielles Sonderkonto beim LSVS

Evonik überwies jährlich zwischen 200.000 und 250.000 Euro ins Saarland, bis 2017 insgesamt mehr als eine Million Euro. Dies geht aus Unterlagen aus dem LSVS-Finanzskandals hervor. Präsident des LSVS war der CDU-Politiker Gerd Meyer aus Kramp-Karrenbauers Heimatstadt Püttlingen, danach der inzwischen geschasste Landtags- und LSVS-Präsident Klaus Meiser (CDU), der bis 2018 sogar Aufsichtsratsmitglied der Stiftungstochter RAG-Aktiengesellschaft war und dies mit jährlich ca. 40.000 Euro Aufsichtsratsbezügen.  

Evonik-Spenden “auf Bitten der saarländischen Landesregierung”

Die Evonik-Spenden flossen auf ein Konto außerhalb der LSVS-Buchhaltung. Saarlandinside hatte 2017 im Zuge des LSVS-Skandals das irreguläre Konto aufgedeckt. CDU- und SPD-Landtagskandidaten bedienten sich daraus, um im Wahlkampf publikumswirksam Spenden-Schecks an Vereine zu verteilen. Evonik wies gegenüber Saarlandinside ausdrücklich darauf hin, dass ihre Spenden „auf Bitten der saarländischen Landesregierung“ veranlasst wurden.

Kramp-Karrenbauer selbst dürfte bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Kuratorium im Jahre 2017 ca. 90.000 Euro an Aufwandsentschädigung erhalten haben. Auf Kramp-Karrenbauer folgt im März 2018 Ministerpräsident Peter Hans (CDU) in die RAG-Stiftung. Seine Aufsichtsratsvergütung bis heute: ca. 50.000 Euro.  

Heiko Maas: Nach rechtswidriger Genehmigung zugunsten RAG ins Kuratorium berufen

Auf eine längere Verbindung zur RAG kann Außenminister Heiko Maas (SPD) verweisen. Er war 2012 und 2013 saarländischer Wirtschaftsminister. Seine Bergbehörde hatte vorab das Fluten des Nordschachts bei Falscheid genehmigt, ohne viel Aufhebens und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes OVG kassierte deshalb die Genehmigung 2019 wieder ein. Maas aber wurde schon am 20. Februar 2015 in das Kuratorium der RAG berufen. 

Wirtschaftsminister Peter Altmaier schließlich bestimmt im Kuratorium seit 24. Oktober 2017 die Geschäftspolitik der RAG mit. Altmaiers Bezüge von der RAG-Stiftung bis heute: ca. 50.000 Euro.

RAG-Tochter Evonik spendet in zehn Jahren mehr als 1,7 Millionen Euro an CDU, SPD und FDP

Neben den Saarländern sitzt weitere politische Prominenz im RAG-Kuratorium, der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet beispielsweise und der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Die Mitgliedschaft von Parteispitzen im Kuratorium mag auch die guten Beziehungen der RAG-Gruppe zu CDU, SPD und FDP erklären. Auch diese Parteien werden seit vielen Jahren von der RAG-Tochter Evonik gesponsert, die SPD von 2010 bis 2019 mit 740.000 Euro, die CDU mit 685.000 Euro und die FDP mit 285.000 Euro, insgesamt mehr als 1,7 Millionen Euro.

Ob dies im politischen Umgang mit der Genehmigung für die Grubenflutungen von Bedeutung ist, kann man leider nicht nachvollziehen. Die RAG-Stiftung macht jetzt auf jeden Fall Druck auf die Landesregierung. Sie erwarte grünes Licht zum Fluten schon im Juli, forderte RAG-Stiftungschef Bernd Tönjes Anfang Juni.

Lesen Sie hier auch das Statement des Sprechers des Umweltverbandes Pro H2O Saar, Dr. Armin König.

Quellen: