Warum wir uns unbedingt impfen lassen sollten

Eine satirische Kurzgeschichte

Bereits vor einigen Wochen hat sich meine Mutter impfen lassen. Am nächsten Tag besuchten wir sie im Seniorenstift.  Sie saß in ihrem Rollstuhl und war bester Laune, hatte keine Nebenwirkungen und zeigte uns stolz den Einstich auf dem Oberarm, indem sie sich das vorsichtshalber angebrachte Pflaster abriss: „Seht mal, nur ein Pieks. Hat überhaupt nicht wehgetan“, sagte die 92jährige.

Ihre gute Laune steigerte sich noch, als sie mich bat, doch mal im Sekretär nach ihrem Scheckheft zu schauen. Das hätte mich stutzig machen sollen; schließlich hatte sie uns bisher stets verschwiegen, wo sich ihre Kontounterlagen und eben das Scheckheft befinden.

„Kinder, mir geht’s so gut; bei Euch dauert es ja noch ein bisschen mit der Impfung – aber Ihr sollt Euch auch schon ein bisschen freuen.“ Damit nahm sie das Heft, kritzelte etwas auf den zuoberst liegenden Scheck und überreichte ihn mir feierlich. – 1000 Euro! – Ich konnte es nicht fassen.

So viel hatte sie mir noch nie gegeben; ganz im Gegenteil. Sie machte stets ein Riesengeheimnis um ihre Finanzen und jammerte immer, dass es vorne und hinten nicht reicht…

„Mutti, das ist doch viel zu viel! Du hast doch selbst nicht genug!“ rief ich.

„Doch mein Junge – mir geht es so gut. Warum soll ich nicht mit warmer Hand geben? Geh und bring den Scheck zur Bank oder kauft Euch was Schönes!“

Wie gesagt, so gut gelaunt hatte ich meine Mutter noch nie erlebt.

Bei unserem nächsten Besuch drei Wochen später passierte wieder etwas Ungewöhnliches: „Kinder, ich trete in die CDU ein. – Kai, Du hast doch so einen Computer. Druck mal die Unterlagen aus, damit ich mich anmelden kann.“

Ich war von den Socken. In unserer Familie wird seit drei Generationen die SPD gewählt. Die Partei der Arbeiter und der kleinen Leute, wozu sich meine Eltern, Groß- und Urgroßeltern immer gezählt haben. „Die CDU ist nur was für die Reichen,“ hatte ich schon immer meinen Opa und meinen Papa reden hören, „Schuster, bleib bei Deinen Leisten – unsere Partei ist die SPD.“

Nun war ich mehr als platt. Meine Mutter, die bisher eher unpolitisch gewesen war und immer der Familienlinie treu geblieben war, wollte plötzlich in die CDU eintreten.

Als sie merkte, wie ich zögerte, wurde sie richtig ärgerlich: „Ja, guck nicht so, ich habe mich ein wenig schlau gemacht und ich möchte jetzt in die CDU eintreten – jetzt mach schon, wer weiß wie lange ich noch zu leben habe.“

Nun gut, ich tat ihr den Gefallen und druckte den Aufnahmeantrag aus. Widerwillig füllte ich mit ihr die entsprechenden Felder aus. Als wir zu “Ihr monatlicher Beitrag“ kamen, zwang sie mich doch in der Tat, dort 200 Euro einzutragen.

„Hör mal, ich glaub ich hör nicht recht. Dein Heimplatz hier kostet im Monat 2.300 Euro. Wo willst Du denn noch die 200 Euro für die CDU hernehmen? Das ist doch grotesk!“

„Jetzt mach endlich, was Deine Mutter Dir sagt…“ keifte sie zurück. Und weil ich mich nicht mit ihr anlegen wollte, füllte ich das Feld entsprechend aus.

Feierlich leckte sie am Klebestreifen des Briefverschlusses, drückte eine Briefmarke drauf und forderte mich auf, den Umschlag unbedingt noch heute vor 18 Uhr in den Postkasten zu werfen.

Ich war so geschockt, dass ich den Umschlag erst mal unter die Sonnenblende meines Autos klemmte – und dort vergaß…

Bei unserem nächsten Besuch, zwei Wochen später, schien sie die Sache mit dem Parteieintritt glücklicherweise vergessen zu haben. Wir redeten über belangloses Zeug, die neueste Charité-Serie im Fernsehen, ihren Malkurs hier im Heim und das immer schlechter werdende Mittagessen in der Kantine.

Plötzlich nahm ihr Gesicht einen listigen Zug an: “Kai, sei so nett und hol doch mal das Scheckheft aus dem Sekretär.“

Mit gemischten Gefühlen tat ich ihr den Gefallen.

„Kai, Du weißt doch, dass wir damals das Grundstück von Deinem Opa in Hamburg verkauft haben. Das Geld ist immer noch da – und jetzt möchte ich die 200.000 Euro dem Jens Spahn spenden.“

„Mutti!?“

Ich hatte bisher in meinem Leben noch nie Herzrhythmusstörungen gehabt. Jetzt setzte gleich eine ganze Salve ein. „… Bist Du von allen guten Geistern verlassen?!“ stotterte ich und trommelte mir heftig auf die Brust, bis das Herz wieder einigermaßen gleichmäßig schlug.

Es setzte ein unglaubliches Gezeter ein. Meine Mutter war fest entschlossen. Es half auch nichts, als ich ihr offenbarte, dass Jens Spahn schwul und mit einem Mann verheiratet ist. „Das dürfte für Dich doch ein Klacks sein, mit Deinem Computer, die Kontonummer von ihm rauszufinden.“

Mit zittrigen Fingern füllte sie den Scheck bis auf die unbekannte Bankverbindung aus… – „Und wenn Du nicht enterbt werden willst, dann bring das morgen früh direkt zur Bank.“

Ich war so geschockt, dass ich nichts mehr entgegnete und den Scheck ins Revers meiner Anzugjacke steckte.

Während ich noch zögerte den Scheck zur Bank zu bringen bzw. nach der Kontonummer von Jens Spahn zu fahnden, wurde meiner Frau als Pflegedienstleiterin angeboten, sich als Risikogruppe zusammen mit mir impfen zu lassen.

Wir hatten immer über diese Impfverweigerer und -skeptiker gelacht; die, die meinen, dass Bill Gates da einen winzig kleinen – fürs menschliche Auge unsichtbaren- Mikrochip mitverimpfen würde, der es ihm ermöglicht, die Menschheit digital zu steuern.

Krass, auf welche Ideen manche Verschwörungstheoretiker so kommen.

Also sagten wir frohgemut zu und erhielten bereits zwei Tage später im neuen Impfzentrum am ehemaligen Flughafen Tegel den sehnlichst erwarteten Piks.

Weil wir nun wirklich begnadet und dankbar waren, wollten wir uns nicht lumpen lassen und traten 24 Stunden später in die CDU ein. Mit vollem Herzen sollte die Partei ab dem nächsten Monat 1000 Euro Beitrag von uns erhalten.

Doch schon eine Woche später reichte uns das nicht mehr – wir fühlten uns prima und so gesund, wach und fit, wie noch nie.

Gemeinsam gingen wir zur Bank und nahmen auf unser Haus einen Kredit über 400.000 Euro auf, den wir als persönliche Spende für Jens Spahn deklarierten.

Und glücklicherweise erinnerte ich mich auch noch an den Scheck von meiner Mutter in meinem Anzugrevers, den ich natürlich ebenfalls gleich zur Bank brachte…Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Kai-Trinkwasser.png