Was tun gegen die Medieneinfalt im Land?

Demokratie lebt von der Informationsvielfalt. Im Saarland ist – neben einem informationsschwachen Rundfunk – die Saarbrücker Zeitung das relevante Medium. Und die SZ verliert dramatisch Leser und Reichweite. Das hat Folgen für die Informiertheit der Saarländer und ihre demokratische Fitness.

Saarbrücker Zeitung vom 24.3.2025 (Screenshot)

Die regionalen und lokalen Tageszeitungen in Deutschland stehen unter Druck, vor allem in ländlichen Gebieten. Die Papierpreise, Energie- und Spritausgaben steigen; ein höherer Mindestlohn verteuert die Belieferung der Abo-Kunden; die Werbeinnahmen und Abo-Erlöse sinken. Die Abonnements der Saarbrücker Zeitung sind von 137.000 in 2015 auf 86.000 in 2024 gefallen, inklusive 11.500 ePaper-Abos; in zehn Jahren ein Minus von 37 Prozent (!).

Jede SZ-Ausgabe erreiche 380.000 Leser, sagt Thomas Deicke, Sprecher der SZ-Geschäftsführung, gegenüber Saarlandinside, „bundesweit einer der höchsten Werte bei Lesern pro Ausgabe“. Die Medienanalyse 2024 Tageszeitungen (agma) hat eine Reichweite von 39,4 Prozent (von 900.000 Saarländern über 14 Jahre) und 3,5 Leser pro Exemplar ermittelt. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Mit jedem weniger verkauften Exemplar verliert die SZ 3,5 Leser. Deicke sieht eine Stärke der SZ im Online-Angebot. Monatlich erreiche saarbruecker-zeitung.de 2,3 Millionen Unique User.

Weitere soziologische Daten zur SZ-Leserschaft von agma: 30 Prozent sind 40 bis 59 Jahre alt, 61 Prozent über 60 Jahre. 48 Prozent sind berufstätig, 43 Prozent Rentner. Zum Ausbildungsniveau: 37 Prozent haben Hauptschulabschluss, 24 Prozent mittlere Reife, 20 Prozent Hochschulreife und 18 Prozent Hochschulabschluss.

Info: Die Gesellschafter der SZ und ihre Gewinne
– 56 % Rheinische Post Mediengruppe,
– 28 % Gesellschaft für staatsbürgerliche Bildung Saar (GSB), dav. Union Stiftung (40 %), Stiftung Demokratie (SPD) (40%) und die Villa Lessing – Liberale Stiftung (20 %).
– 16 Prozent Beteiligungsgesellschaft der SZ-Mitarbeiter.

Um die Gewinnmargen zu sichern, hat der SZ-Aufsichtsrat dem Medienhaus einen harten Stellenabbau verordnet, der auch die Redaktion, das Herz jeder Zeitung, geschwächt und die Gewinne wieder gestärkt hat. Seit einem Gewinneinbruch im Jahre 2021 (2,6 Mio. Euro) verzeichnete die SZ 2023 wieder ein Plus von 14,5 Millionen Euro.

Journalistischer Wettbewerb unabdingbar für die Demokratie

Die Vielfalt an Meinungen und Informationen halten den demokratischen Diskurs am Laufen. Bei einem Zeitungsmonopol aber werden die Sichtweisen und Meinungen der Mediennutzer auf die Geschehnisse im Land aus einer einzigen Quelle beeinflusst. Und der Rundfunk liefert hierzulande quantitativ und qualitativ nur geringe Beiträge. Inhaltlich bilden SR und SZ eine Art „Konsensfabrik“ im saarländischen Mainstream. Journalistischer Wettbewerb fehlt. Mit diesem Gesamtangebot müssen die Saarländer mit relativ wenig Themen, Fakten und Hintergrund auskommen.

Für hunderttausende Saarländer ist das Anzeigenblatt die einzige gedruckte Informationsquelle. Screenshot: Wochenspiegel

Gründlichere Recherchen, bessere Kontrolle der Mächtigen

Echte Konkurrenz könnte das Informationsgeschäft beleben. Denn wo Medien konkurrieren, steigt die journalistische Qualität. Im Wettbewerb recherchieren Journalisten gründlicher und liefern genaue Informationen. Sie sind eher bereit, Missstände aufzudecken und mächtige Personen und Institutionen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Mangel an Wettbewerb und an medialer Kontrolle mag eine Erklärung dafür sein, warum im Saarland eine Reihe kleiner und großer Politik- und Finanzskandale entstehen konnten. Die heimischen Medien fordern die Entscheidungsträgern zu wenig, damit sie das Land – es liegt bei Wohlstand, Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Sozialem und im Glücksatlas hinten nach vorne bringen.

Vergleich zwischen SZ und Rundfunk

An einem durchschnittlichen Nachrichtentag sendet SR 3 Saarlandwelle von 6 bis 18 Uhr etwa 25 thematisch unterschiedliche Meldungen und Beiträge, manchmal mehr, manchmal weniger. Im Aktuellen Bericht sehen die Saarländer etwa zehn Berichte und einen Nachrichtenblock. Im Text-Format würde der Aktuelle Bericht in der SZ gerade mal eine Seite füllen. Die SZ umfasst pro Ausgabe etwa 40 Druckseiten, plus 7 Lokalteile.

Überhaupt verstehen die Rundfunkmacher auf dem Halberg ihren Programmauftrag nicht in erster Linie als Informations-, Bildungs- und Kulturauftrag, sondern als vergnügliches Tralala. Möglicherweise ist der SR deshalb auch ins Privatrundfunkgeschäft eingestiegen. Er hält 20 Prozent der Anteile bei Radio Salü, gekauft mit dem Rundfunkbeitrag der Saarländer. Medienrechtler halten dies wegen der von der Verfassung geforderten Trennung zwischen öffentlichen und privaten Medien für rechtswidrig.

Radio Salü als weitere, ausschließlich werbefinanzierte Informationsquelle ist vor allem bei den Saarländern zwischen 14 und 49 Jahren beliebt. Bei ihnen ist der Sender in Punkto Hördauer die Nummer Eins. Seine Hörer schalten doppelt so lange ein wie SR 1-Hörer, knapp fünfmal länger als bei SR 3. Sie sind durchschnittlich 45 Jahre alt, der typische SR1-Hörer ist 55, der von SR 3 sogar 65.

Zwischen SZ und SR wachsen die Spannungen: Der SR wildert mit einer eigenen, rundfunkbeitragsfinanzierten Online-Zeitung im publizistischen Gehege der privaten Saarbrücker Zeitung. Die EU-Kommission hat sich der Sache grundsätzlich angenommen. Den Rechtsstreit, ob der öffentlich-rechtliche Halberg dies darf, wird wohl der Europäische Gerichtshof entscheiden. Lesen Sie dazu die Hintergründe im einem Beitrag von SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst in der FAZ: „Das ist kein fairer Wettbewerb“ (€).

Subventionen ins Papier oder bessere Medienangebote?

Zurück zum wirtschaftlichen Druck auf die Zeitungsverlage. Die deutschen Verleger forderten jahrelang staatliche Subventionen und Senkung der Mehrwertsteuer auf Presseprodukte. Medienexperten fänden es hingegen sinnvoller, Subventionen nicht ins Papier, sondern in neue Informationsformate  und -qualitäten zu stecken.

Beispiel Luxemburg: 30.000 Euro pro Redakteursstelle

Ein Blick über die Grenze zum Luxemburger Modell der staatlichen „Pressehilfe“ zeigt, wie Subventionen demokratie-orientiert geregelt sein können. Um den Meinungspluralismus aufrechtzuerhalten, zahlt die Regierung den Print- und Online-Medien 30.000 Euro pro Vollzeit-Redakteursstelle und Jahr. Auch in Österreich hilft der Staat den Medien; er beteiligt sich an den Ausbildungskosten für Nachwuchs-Journalisten und spendiert den Schulen Gratisausgaben von Tages- und Wochenzeitungen. Nordrhein-Westfalen und Sachsen sind mit Förderprogrammen für bessere journalistische Qualität und neue Angebote erfolgreich.

„Verlage müssen ihre Online-Angebote drastisch verbessern“

Die Print-Auflage der meisten Tageszeitungen wird weiter sinken. Die Verlage werden deshalb die Qualität ihrer Websites drastisch verbessern müssen, sieht das Reuters Institut für journalistische Studien im Trendreport 2025. Mehr als ein Viertel der Verlage dächten über neue Produkte im Bereich Spiele oder Bildung nach, gebündelt dann in einem Gesamt-Abonnement („All-access-Abos“). Wie sich die Saarbrücker Zeitung in diesem Kontext aufstellt, soll das Geheimnis der Geschäftsführung bleiben.

Landesmedienanstalt Saar soll für Medienvielfalt sorgen

Medien- und Meinungsvielfalt herzustellen ist die verfassungsmäßige Aufgabe der Länder. Im Saarland soll laut Mediengesetz die Landesmedienanstalt Saar (LMS), „die Bevölkerung flächendeckend und gleichwertig mit hochwertigen […] Rundfunk- und Telemedienangeboten [versorgen]“.

Mit Blick auf den privaten Hörfunkmarkt will die LMS im Saarland nicht von „Medieneinfalt“ sprechen – weder im analogen noch im digitalen Sektor. Radio Salü sei seit über 35 Jahren für viele Saarländer ein Begleiter im Alltag, dazu sechs lokale Programmangebote in Saarbrücken, Saarlouis, Merzig, St. Wendel, Neunkirchen und Homburg sowie mit bigFM Saarland Classic Rock Radio. Die LMS hat die Angebote dieser Privatsender analysiert, rein quantitativ. Über die Qualität der Berichterstattung, das Informationsniveau und die Frage, wie „in den Programmen die Vielfalt der Meinungen“ (gesetzliche Aufgabe der LMS) hergestellt wird, gibt die Studie kaum Aufschluss.

Die LMS verweist auch auf das Förderprojekt “Media & Me – Backstage bei Medienberufen”, das Nachwuchsjournalisten praxisnah an die Medienbranche heranführt. Für lokaljournalistische Projekte bekommt die LMS von der Landesregierung kein Geld.

Ein SZ-Abonnement zur Demokratie-Förderung

Die SZ hat 388.000 Leser. Das heißt, eine halbe Million Saarländer über 14 Jahre liest keine Regionalzeitung. Wenn nur eine Tageszeitung immer weniger Saarländer mit Informationen versorgt, hat das Folgen für die demokratische Kultur. Es ist zu befürchten, dass die Mehrzahl der Saarländer ihre lokalen Informationen aus dem Anzeigenblatt Wochenspiegel beziehen, dem auflagenstärksten Printmedium mit einer Reichweite von 600.000 Lesern. Die BILD-Zeitung hat eine Reichweite von 55.000 Lesern.

Die Saarbrücker Zeitung ist die regionale Alleinzeitung. Bei aller Kritik an ihrer bisweilen wohlwollenden Berichterstattung über die Akteure und die Geschehnisse im Land: Wer im Saarland einigermaßen informiert sein und mitreden will, sollte sie abonnieren. Es wäre ein kleiner Dienst für die demokratische Gesellschaft.

Quellen:

agma: Medienanalyse Tageszeitungen 2024

Northdata: Saarbrücker Zeitung Medienhaus GmbH, Saarbrücken

MONEY FOR NOTHING AND CONTENT FOR FREE?  ZAHLUNGSBEREITSCHAFT FÜR DIGITALJOURNALISTISCHE INHALTE. Landesmedienanstalt NRW

Wüstenradar: Zur Verbreitung des LOKALJOURNALISMUS in Deutschland und dessen Effekt auf die
FUNKTIONSFÄHIGKEIT der DEMOKRATIE

Digitalisierung und Demokratie: Bericht der LMS zur Entwicklung der Medienvielfalt im Saarland 2020

Bundestag: Öffentliche Förderung journalistischer Informationsmedien in ausgewählten Ländern

Reuters Trend Report: Trends und Prognosen für Journalismus, Medien und Technologie 2025