Was den Vereinen von den Toto-Millionen übrigbleibt

Wie die großen Parteien im Saarland massiv Toto-Millionen für ihre Zwecke missbrauchen: Ein kleiner Politiker-Kreis von CDU und SPD macht unter sich aus, welcher Verein wie viel bekommt. In anderen Bundesländern haben zumindest die Landtage die Kontrolle. Vergleich.

Lotto wurde im Jahr 1445 vermutlich von den Stadtvätern im flandrischen Sluis erfunden, um ein neues Stadttor zu bauen. Das erste Glücksspiel hat offenbar funktioniert. Als Geldquelle für die Herrscher verbreiteten sich die Lotterien dann rasch über ganz Europa. Die Fürsten konnten damit schnell ihre Schatullen füllen. An diesem Finanzierungskonzept hat sich bis heute nichts geändert. Staatliche Lotterien bringen den Bundesländern jährlich etwa fünf Milliarden Euro. 39 Prozent gehen als Steuern in die Länderhaushalte bzw. als zweckgebundene Konzessionsabgaben an zivilgesellschaftliche Organisationen, hauptsächlich für Sport, Wohlfahrt und Kultur.

Insgesamt 21 “Gemeinnützigkeits-Millionen”

Die Zahlen für das Saarland für 2017: Saartoto überwies von 118 Millionen Euro Spieleinsätzen 19 Millionen als Lotteriesteuer direkt an die Landeskasse. Von den 21 „Gemeinnützigkeits-Millionen“ gingen an die sogenannten Destinatäre:  Sport 15 Millionen, Kultur 5,5 Millionen, Soziales 800.000 Euro, Naturschutz 300.000 Euro.

Im Saarland keine Kontrolle durch Parlamente

Bei der Verteilung der Zuschüsse aus der Toto-Kasse fällt das Saarland im Bundesvergleich in mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen: In allen Bundesländern fließen die Glücksspiel-Überschüsse direkt in den allgemeinen Landeshaushalt. Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben zusätzlich gesetzlich festgelegt, wofür die Gelder im Einzelnen zu verwenden sind. Damit ist die Kontrolle durch die Parlamente gesichert, alle Parteien in den Landtagen haben Mitspracherecht. Anzunehmen, dass es in diesen Ländern beim Verteilen der Millionen sauberer zugeht.

Eine Handvoll Politiker verteilt

Im Saarland ist das nicht so: Hier läuft die Geldvergabe am Parlament vorbei. Ein kleiner Kreis Eingeweihter, der sich selbst die Ausgaben genehmigt und auch noch rechtlich beaufsichtigt, verteilt die 21 Millionen an den Landessportverband und an die Akteure der Sozial-, Kultur- und Naturschutzarbeit nach Gutdünken.  Zwar ist gesetzlich geregelt, wieviel die Destinatäre global erhalten sollen (z.B. „Sport-Achtel“ an den LSVS, davon 22,75 % an die Sportplanungskommission, 3,25 % der Spielerlöse für Kultur, 0,4 % für Soziales). Welcher Verein oder Verband im Einzelnen wie viel erhält, das liegt aber im Ermessen von Sportminister Klaus Bouillon (CDU), Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD), Umweltminister Reinhold Jost (SPD) und Sozialministerin Monika Bachmann (CDU, Aufsichtsratsvorsitzende der Saarland-Spielbanken). Die Beschlüsse des Saartoto-Aufsichtsrats sind reine Formalität. Überdies haben dort Karl Rauber, der sich seine Ministerpension mit Toto- und anderen Aufsichtsratsmandaten aufbessert, Klaus Meiser und Franz-Josef-Kiefer vom LSVS- Präsidium das letzte Wort.

Dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet

Den Löwenanteil der 21 Toto-Millionen erhält mit 15 Millionen Euro der Landessportverband Saar. Im Gegensatz zu allen anderen deutschen Landessportbünden, die eingetragene Vereine sind, ist der LSVS eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Diese Konstruktion hatte die Politik bei der Gründung des LSVS wohl mit Bedacht gewählt: Sie kann so ungestört über Personal und Finanzen herrschen. Diese Vereinnahmung durch Politiker öffnet auch dem Missbrauch der Gelder Tür und Tor. Bis zum Versuch des Stimmenkaufs im Wahlkampf mit LSVS-Schecks. Im Wahlkampf-Verdacht steht auch die Sportplanungskommission mit ihren „Zuwendungen“ an ausgewählte Sportvereine. Auch in diesem Gremium haben die Saartoto-Minister das Sagen: Sie schicken ihre Staatssekretäre vor, mit entsprechenden Weisungen, welcher Verein mit einem Kunstrasenplatz beglückt, welcher Club seine Sanitärräume sanieren kann. Das wird in Vorbesprechungen gedealt. Die Hauptversammlung muss sich regelmäßig mit vollendeten Tatsachen abfinden.

41 Euro Förderung pro Vereinsmitglied

Rechnet man die Sport-Millionen auf die Zahl der organisierten Mitglieder um, so steht der LSVS auch hier mit einer Pro-Kopf-Ausgabe von 41 Euro in der Statistik bundesweit vorn. Die Sportbünde anderer Bundesländer kommen für die gleiche Arbeit mit weit weniger finanziellem Aufwand aus: Baden-Württemberg mit 16, Hessen, Niedersachsen und Bremen mit 10, Rheinland-Pfalz mit 5 Euro pro Mitglied. Woher kommt die große Differenz? Wofür gibt der LSVS so viel aus?

LSVS beschäftigt zu viel Personal

Bei der im LSVS aufgeflogenen Vetternwirtschaft (Sondervertrag für Ex-Präsident Meisers Lebensgefährtin, Beschäftigung seines Bruders Leo, Beschäftigung des FCS-Vorsitzenden) liegt der Verdacht nicht fern, dass Meiser & Co bei der Personaleinstellung insgesamt großzügig waren. Tatsächlich: Der LSVS beschäftigt mit 100 Mitarbeitern erheblich zu viel Personal. Ein Blick in die Personallisten der Sportbünde anderer Bundesländer belegt dies. Der Landessportbund Rheinland-Pfalz beschäftigt inklusive seiner drei regionalen Sportbünde 98 Mitarbeiter, etwa soviel wie der LSVS. Die Rheinland-Pfälzer betreuen dabei aber mehr Fachverbände und viermal so viel Mitglieder wie der LSVS. Noch sparsamer beim Personal wirtschaftet der niedersächsische Sportbund: 118 Mitarbeiter kümmern sich dort um 60 Fachverbände und deren 2,7 Millionen Mitglieder, siebenmal mehr als im Saarland.

In den Saar-Vereinen kommt wenig an

Ein weiterer Grund, warum im Breitensport an der Saar vergleichsweise wenig ankommt: Das Saarland finanziert mit Toto-Geldern auch den Profi-Sport, wie den FCS-Tischtennisprofi Patrick Franziska, und zahlt üppige Preisgelder bei Sportevents, z.B. im Badminton. Der Sportbund Rheinland-Pfalz setzt das Geld sinnvoller für den Breitensport und die Vereine ein; dort ist es dem Sportbund sogar untersagt, Berufssportler mit den Glücksspielerlösen zu fördern. Also: Von den Toto-Millionen kommt bei den Saar-Vereine weniger an als bei den Sportvereinen anderer Bundesländer.

Steuerzahler haftet bei Misswirtschaft

Auch wenn im öffentlich-rechtlichen LSVS was schiefläuft, dann haftet der Staat für die Finanzen, d.h. der Steuerzahler. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, Alexander Funk, hat dieser Tage schon mal angedeutet, dass wohl die Landeskasse bei den auf insgesamt 42 Millionen Euro Gesamtverbindlichkeiten des LSVS (SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn) herhalten muss. In allen anderen Bundesländern sind solche Rettungsaktionen durch den Steuerzahler weder notwendig noch möglich. Dort  werden die Sportbünde als eingetragene Vereine gemanagt, in denen die Vorstände nach dem Handelsrecht Verantwortung tragen und ihren Mitgliedern auf Heller und Pfennig Rechenschaft ablegen müssen. Und entsprechend gewissenhaft wirtschaften müssen.

Für soziale Projekte nur Almosen

Das saarländische Lotteriegeld-System ist auch in einem weiteren Punkt auffällig: In keinem Bundesland ist – gemessen an den Spielumsätzen – die Verfügungsmasse für den Sport so groß wie im Saarland: Rund 13 Prozent vom Umsatz gehen in die Förderung der Leibesübungen, mehr als doppelt so viel wie in den anderen Bundesländern (2 bis 6 Prozent). Dies hängt damit zusammen, dass andere Landesregierungen bei der Verteilung der Glücksspielerlöse vor allem die Träger sozialer Aufgaben und der öffentlichen Wohlfahrt massiv unterstützen. So gibt Lotto Niedersachsen jährlich, ähnlich viel wie an den Sport, etwa 25 Millionen Euro (etwa vier Prozent des Umsatzes) an die Träger der freien Wohlfahrtspflege, in Jugendarbeit und Jugendschutz, Familienförderung und Suchtbekämpfung, Frauen- und Familienförderung. Soziale Einrichtungen im Saarland müssen sich mit 800.000 Euro begnügen, ein Almosen.

Der Vollständigkeit halber: Eine ähnliche Mittelvergabe wie im Saarland findet sich noch in Thüringen. Dort erhält der Landessportbund von Thüringen-Lotto aber nur 10 Millionen Euro (6 % des Umsatzes) für 400.000 Mitglieder. In Sachsen-Anhalt vergeben die Lotto-Chefs 2,5 Millionen direkt an gemeinnützige Vereine. In Berlin gehen alle Erlöse in die Lotto-Stiftung Berlin.

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Quellen
Geschäftsberichte und Web-Informationen der Lotto-Gesellschaften
Angaben der deutschen Landessportverbände
Deutscher Bundestag: Sportförderung in Deutschland – Die Bedeutung der Einnahmen aus staatlichem Glücksspiel für die Finanzierung des Breitensports, Aktenzeichen: WD 10 – 3000 – 026/10 25. März 2010.