Schmerzen, die andere Meinungen erzeugen, muss man aushalten

Ein Plädoyer für die Meinungsfreiheit! Die Einschränkungen der Freiheitsrechte zu Zeiten von Corona sind verfassungsrechtlich durchaus kritisch zu sehen. Wie mit unbequemen Meinungen umgehen? Dazu unser aktueller Buch-Tipp: „Meinungsfreiheit – Demokratie für Fortgeschrittene“ von Volker Kitz.

Sein 2018 erschienenes Taschenbuch ist ein überzeugendes und interessant zu lesendes Votum für die Meinungsfreiheit als wesentlicher Baustein für unsere Demokratie. An aktuellen Beispielen zeigt er auf, vor welche Herausforderungen  die Meinungsfreiheit durch neue Entwicklungen in der Politik und der öffentlichen Kommunikation gestellt wird: bewusste Falschmeldungen die im Nachhinein als „alternative Fakten“ rehabilitiert werden oder Machthaber wie Erdogan, die hunderte von kritischen Journalisten wegsperren lassen.

Er weist darauf hin, dass Meinungsfreiheit nicht Tatsachen-Freiheit bedeutet: „Gegen falsche Tatsachen kämpfen, gegen die Verzerrung der Wirklichkeit, das ist wichtiger als es scheinen mag“. Überzeugend leitet er her, dass Meinungsfreiheit auch bedeutet, dass es keine Unterscheidung zwischen guter oder schlechter Meinung gibt. Denn welche Instanz sollte dies beurteilen: staatliche Zensur durch ein „Wahrheits-Ministerium“? Insofern wäre das Büchlein für eine Nachhilfe-Stunde für CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer angesichts ihrer hilflosen Reaktion auf das Rezzo-Video über ihre Partei geeignet. Sie forderte damals die Regulierung von Meinungsäußerungen.   

Man müsse als Demokrat eben akzeptieren, dass wir nie alle einer Meinung sind. Die wesentliche Frage sei, wie wir zusammenleben, da es nie gelingt alle von der gleichen Meinung zu überzeugen. Für Kitz heißt dies beispielsweise, dass wir auch Hass als Meinung nicht nur zulassen müssen, sondern der Erhalt der Meinungsfreiheit sogar bedeutet, dafür zu kämpfen, hassen zu dürfen. „Schmerzen, die andere Meinungen erzeugen können, müsse man aushalten“ so Kitz und bezieht sich dabei auf Voltaire: „Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde Ihr Recht, Ihre Meinung zu äußern, bis zum Letzten verteidigen.“

Kitz fordert jeden Demokraten auf, gegen die Überschreiter der Grenzen von Meinungsfreiheit vorzugehen: Beleidiger, Friedensstörer und Faktenfälscher. Auch wer ganze Themen unterschlage, „versteckt Ostereier für diejenigen, die nach Tabus suchen.“

Ein überzeugter Demokrat achte auf Kontakt mit Menschen, die das Gegenteil denken. „Ein Demokrat geht nicht immer nur in die Luft, sondern auch mal an die Luft. Er sucht Zufall und Überraschung, denn sie haben Zauberkraft.“

Quintessenz: absolut lesenswert, bringt neue Erkenntnisse und Motivation, Leserdauer: ca 120 Minuten, Preis: 10 €, erschienen im Fischer-Verlag