Saarländischer Rundfunk: Das innige Verhältnis zur Politik blockiert Reformen

Der zwangsbeitragsfinanzierte Rundfunk hat an Vertrauen verloren. Auch der SR muss sich reformieren. Aber die „saarländische“ Verbundenheit zwischen Politik und Sender steht dem entgegen. Analyse und Meinung.

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Der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt, der Umgang miteinander wird radikaler, Konfliktlinien verhärten sich. Politische, soziale und wirtschaftliche Ungewissheiten ermüden die Menschen. Die Kommunikation instagrammisiert und vertiktokt.

Die Bürger „sind mehr denn je auf verlässlich recherchierte Information und Diskussionsformate durch eine von Regierenden und anderen Machtträgern unabhängige und kritische Instanz angewiesen.“

Zukunftsrat der Rundfunkkommission
Den vollständigen Bericht des Zukunftsrats können Sie hier nachlesen.

So beschreibt der Zukunftsrat ein Wesensmerkmal des öffentlichen Rundfunks. Damit Mediennutzer angesichts einer „zunehmend fragmentierten Gesellschaft“ wieder Vertrauen und Glaubwürdigkeit gewinnen, sollen die Macher des öffentlichen Rundfunks ihren Angeboten mehr gesellschaftliche Relevanz verleihen. Wie steht es um die Leistungsstärke der Medienschaffenden beim SR, die Bürger mitwirkungsfit für Staat und Demokratie zu machen?  Wie ist es um die Distanz der zweitkleinsten ARD-Anstalt zu den Machtträgern bestellt, deren Kontrollgremien – Honni soit qui mal y pense – überwiegend mit Machtträgeren besetzt sind.

Derzeit stecken die Öffentlich-Rechtlichen in einer Abwärtsspirale: Alles geschieht in den gewohnten Strukturen, aber von allem ein bisschen weniger – schleichend auch weniger Substanz. Dieser Prozess erschöpft alle, er blockiert Kreativität und entmutigt viele gute Köpfe. Das macht das System auf Dauer kaputt.”                                                                                                           

Zukunftsrat der Rundfunkkommission

Die Symbiose zwischen Politik und Medien

Das enge Verhältnis zwischen Saar-Politik und SR charakterisierte einmal der ehemalige Intendant Thomas Kleist (SPD) unverhohlen als etwas Symbiotisches. „Der SR braucht die Politik und die Politik braucht den SR.“ Die Politik macht die Mediengesetze, Politiker steuern und kontrollieren die Anstalt. Der Sender stellt Abspielfläche für die Pressekonferenzen und -mitteilungen, Landtagssitzungen und Fraktionsarbeit, Parteiveranstaltungen und Minister-Aktionen zur Verfügung. Lobt sich der SR im „Bericht an die Öffentlichkeit“, kein Sender leiste für die Politik so viel wie der SR. Dies steht über dem Programm: Ein Land. Ein Sender.

Journalisten als Politik-Verstärker

„Journalisten berichten, was wichtig ist. Schon das rückt sie nahe an Politik und Eliten. Denn was diese verlautbaren, zählt. Politiker haben Macht, also machen sie Realität. Eine Realität, die von Regierung, Opposition und Lobbys definiert wird. Sie bestimmen die Themen, sagen, was ein Problem darstellt und welche Lösungen es „realistischerweise“ geben kann. So setzen sie den Rahmen für jede Diskussion und bestimmen die Kriterien, nach denen das Für und Wider abgewogen werden soll. Diesen Rahmen übernehmen Journalisten.

Hier zur Zusatz-Info: Das Beispiel der angeblich alternativlosen Milliardenschulden

So machen sich Journalisten die Maßstäbe der Politik zu eigen, statt sie kritisch in Frage zu stellen. Sie machen dem Medienpublikum klar, unter welchen Maßstäben es die Welt sehen soll. Haben Politik und Medien die Haltung des Publikums erst einmal gestaltet, so gilt dies anschließend wiederum als Argument gegen eine nichtkonforme Berichterstattung: Die Leute wollen so etwas nicht lesen!“ (Aus „Zwischen Anspruch und Auftrag: Die öffentlich-rechtlichen Medien in der Kritik.“ Siehe unten Quellen).

Journalistische Unabhängigkeit und politische Aufsicht

Parteien und Regierungen wollen mittels Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bestimmen, was für die Bürger von Interesse ist. Sie versuchen, gelenkte Wahrheiten unters Volk zu bringen. Dieser Druck funktioniert auch strukturell. Die Kontroll- und Steuerungsgremien – beim SR der Rundfunk- und der Verwaltungsrat – sind zwar offiziell mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen besetzt, sind aber politisch nach CDU- und SPD-Freunden austariert. Zu wenige denken und stimmen sachbezogen, d.h. lagerübergreifend ab. Saarlandinside hat hier darüber berichtet. Wenn aber diejenigen, die kritisch beobachtet werden sollen, sozusagen im eigenen Haus sitzen, dann kann es mit der journalistischen Unabhängigkeit schwierig werden.

Die Öffentlich-Rechtlichen müssen unabhängig sein: geistig und politisch, strukturell und finanziell. Diese Unabhängigkeit muss für die Macher immer und überall spürbar sein. Nur wer sich frei fühlt, arbeitet ohne „Schere im Kopf“.                                                                           

Zukunftsrat der Rundfunkkommission

Machtträger suchen die Nähe zu Medien. Sie wollen in der Öffentlichkeit als tatkräftig, zukunftsorientiert und deshalb als erfolgreich dastehen. Im Umgang mit Journalisten zählt ein Kalkül: Wie nützt es mir? Schließlich wollen die Eliten im Aktuellen Bericht oder in den Regionalreports nicht geschnitten werden. So ist es halt im kleinen Land, in dem die Wege so kurz und eng sind, dass man irgendwie aneinander vorbeikommen muss, in dem sich deshalb alle kennen, in dem am Ende aber immer Harmonie herrscht und alle sagen: Alles is gudd wie es is. Diese symbiotische Eintracht erklärt, warum wesentliche Reformen im Land, auch beim SR, wenig Chancen haben.

Reformen auf Verwaltung und Technik reduziert

Kritisches Überdenken von Sendeformaten und Inhalten findet nicht statt. So redet Saar-Medienstaatssekretär Thorsten Bischoff die Empfehlungen des Zukunftsrats für Reformen im Rundfunk im Januar bereits kurz nach ihrer Veröffentlichung ab: „Als Saar-Landesregierung haben wir im letzten Jahr schon mit dem SR-Gesetz unsere Hausaufgaben hier im Land gemacht“ (Saarbrücker Zeitung). Für Landesregierung und Sender besteht der Reformbedarf allenfalls im Verwaltungsmäßigen und Technischen: Mit der Verkleinerung des Rundfunkrats, Kürzung der Intendantengehälter, Ausbau der Digitalisierung und dem Überdenken des Vergütungssystems soll es dann auch mit den Reformen genug sein.

Hier zum Zusatz-Info: Journalisten sehen die Welt aus der Sicht der Wohlsituierten

So wird der Halberg kein Ort für demokratischen Austausch. Schaffen die Medienleute das, was ihre Aufgabe ist? Ein Ort zu sein für den demokratischen Austausch, der Aufklärung und Bildung? Liefern sie Hintergrund und Kontext oder forcieren sie den Trend zur groben Vereinfachung? Es geht um Selbstreflexion und Selbstkritik, um Hinterfragen der eigenen Aufgaben und Formaten.

Quellen:
Saarbrücker Zeitung: Länder wollen Rundfunkanstalten stärken und für Zukunft aufstellen

Zwischen Anspruch und Auftrag: Die öffentlich-rechtlichen Medien in der Kritik. Von Heiko Hilker, Jörg Langer und Mandy Tröger. Rosa-Luxemburg-Stiftung 2022.

Qualität statt Quote: Wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Vielfalt des Journalismus fördern kann. Von Imke Elliesen-Kliefoth/Heiko Hilker. Rosa-Luxemburg-Stiftung 2018.

Richard David Precht/ Harald Welzer: Die vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist. S. Fischer Verlag.

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